106 erscheint auf dem Horizonte der Koseiuszkvhügcl (333 Nieter), zu seinen Füßen glänzen in der Abendsonne die Basteien des prächtigen Wawel und die zahlreichen Thürme der altehrwürdigen Königsstadt, noch ein Augenblick und wir halten unseren Einzug in das Grvßherzogthum Krakau. Das Grvßherzogthum Krakau. Ein kleines, gegen 1200 Quadratkilometer umfassendes, aber herrliches Ländchen! In geologischer Beziehung ist das ein wahres Edelsteinkästchen, das in unscheinbarem winzigen Raume Reichthümer birgt. Angefangcn von dem Devon findet man hier in einer höchst interessanten Lagerung Vertretungen sämmtlicher Formationen, von denen manche auch praktisch sehr wichtig sind, da sie Stein kohle und verschiedene Erze enthalten. Es ist ein weder in geologischer, noch in geographischer Beziehung abgeschlossenes Ganzes. Durch die politische Grenze wurde hier ein Theil des polnisch-schlesischen Gebietes abgeschnitten, der in jeder Beziehung sich an das letztere anlehnt. Die Reliefformen des Ländchens sind im Großen und Ganzen genommen geologisch sehr alt. Die mächtige Weichsel hat an der Bildung ihres Thales fast gar kein Verdienst. Die großartige Erosion, wie wir sie z. B. bei den podolischen Flüssen zu bewundern Gelegenheit hatten, spielt da eine untergeordnete Rolle, denn die Thälcr der Weichsel und ihrer meisten Nebenflüsse, wie denn überhaupt die gegenwärtig wichtigsten Gegensätze zwischen Höhe und Tiefe,waren hier bereits vor dem Eintritt des Tertiärmeeres vorgezeichnet. Das Gebiet von Krakau zerfällt in orographisch-landschaftlicher Beziehung in drei Abschnitte. Der nördlichste, der die unmittelbare Fortsetzung des südpolnischen Gebirges bildet, stellt einen westöstlich verlaufenden, hügeligen Rücken dar, dessen südliche Grenze wir auf unserer Fahrt von Chrzanöw nach Krakau von der Nordbahn aus ganz gut in der Gestalt eines unter die Ebene einfallenden Steilrandes verfolgen können. Die Bahn selbst bewegt sich in dem zweiten Abschnitte, in dem sogenannten Krzeszowieer Becken. Es ist ein großes, längliches Senkungsgebiet, das mit jüngeren, mivcänen Bildungen ansgefüllt ist, während die älteren in der Tiefe verschwanden. Südlich davon erscheint der dritte Abschnitt in der Gestalt einer großen, zuerst östlich und dann südöstlich streichenden, vielfach zerstörten hügeligen Antiklinale, die in Podgörze bei Krakau in einer steilen Wand unter den Weichselallnvivnen auf immer verschwindet. Diesem letzteren Gebiete gehört unser erster Ausflug. Wir verlassen die herrliche, alterthümliche Königsstadt und begeben uns in westlicher Richtung längs des linken Weichselufers, um von der Höhe des von allen Seiten sichtbaren Wahrzeichens dieser Gegend, des Kosciuszkvhügels, eine Übersicht des Ganzen zu gewinnen. Wir besteigen die aus jurassischen Felsenkalken aufgebaute Anhöhe, passircn die mächtigen Festungswerke und erklimmen endlich den Hügel, den das dankbare polnische Volk dem Andenken seines Freiheitsheldcn errichtete.