Ruthenische Theilfürstenthümer bis zur Vereinigung mit Polen 1387. „Im Jahre der Welt 6489 (das ist 981 n. Chr.) zog Wladimir gegen die Lechen nnd nahm ihre Städte, Przemysl, Czerwien und andere Städte, die auch noch heute zu den Rnthenen gehören." Diese Zeilen des ältesten slavischen Chronisten, Nestor, geben uns die erste Nachricht von dem heutigen Ostgalizien und seinen Städten. Das Land gehörte sonnt vor dieser Zeit den Lechen oder den Polen, bis es im Jahre 981 von Wladimir - es war der ruthenische Fürst Wladimir der Große — erobert wurde. Das hier erwähnte Ereigniß, mit welchem das Land in die Geschichte eintritt, ist für dessen ganze Zukunft symbolisch; es war schon bei seiner geschichtlichen Geburt, wie auch später, Gegenstand de» Streites zwischen den beiden mächtigsten Völkern der Slaven, den Rnthenen und den Polen. Im Jahre 981 schon strebten diese beiden Reiche mächtig auf. Das polnische entstand auf dem Wege der auch sonst gewöhnlichen Entwickelung: eine der zahlreichen von der Elbe und Saale bis über die Weichsel, teilweise bis über den Dnjepr, verbreiteten stamm verwandten Völkerschaften, nämlich die Polanen an der Warta, vereinigten die mittleren ihrer Stammesbrüder zu gemeinsamem staatlichen Leben. Ihr Fürst war im ^ahre 981 Mieszko I. ans dem Hause der Piasten, der fünfzehn Jahre früher durch die Annahme des Christcnthums im römischen Ritus sein Reich dem westlichen Cnlturleben aufschloß. Das ruthenische Reich war das Werk einer fremden Eroberung. Die Normannen, hier Waräger genannt, von dem Stamme Ruß, unterjochten unter der Führung de» Rnrik nnd seiner Nachkommen, der Rurikowiczen, die östlichen slavischen und nicht slavischen Völkerschaften und gründeten auf diese Weise ein Reich, das von ihnen den Namen „Ru» erhalten hat. Der schon in der Entstehung begründete Gegensatz zwischen den beiden Reichen wurde noch dadurch verschärft, daß die Rnthenen unter demselben Wladimir dem Großen, im Jahre 988, das Christenthum in der orientalisch-slavischen Form bei sich einführten. Indem die östlichen Slaven der orientalischen, die westlichen der römischen Kirche sich zuwandten, entstand schon vom Anbeginn eine tiefe Kluft m der Mitte der Slavcnwelt, welche ihre Geschicke und ihr gegenseitiges Verhältniß für die ganze Zukunft bestimmte. Unser Land oder, wie man es damals zu nennen pflegte, das Czcrwenische, das Rothe Land, war in der Mitte zwischen beiden gelegen und lange war es ungewiß, welcher der beiden großen Völkergrnppcn es zufallcn werde. Denn mit der Eroberung vom Jahre 981 war es noch nicht abgethan. Als Polen unter Bolestaw I. Chrolny einen gewaltigen Aufschwung nahm, die Slovakei, Mähren, Lausitz, Meißen, Pommern eroberte, kam im Jahre 1018 die Reihe auch an das Czerwenische Land, welches Boleslaw auf