188 Christenheit hatte das plötzliche Vordringen der Türken auf der Balkanhalbinsel in den höchsten Schrecken versetzt. Auf den Gefilden von Kosowa war das serbische Volk im Jahre 1389 nach heldenmüthigem Kampfe unterlegen, und Ungarn sah sich durch den Andrang der Türken unmittelbar bedroht. In dieser Bedrängniß suchte es in dem mächtigen Polen seine Stütze und bot im Jahre 1440 nach dem Tode Albrechts II. seine Krone dem jugendlichen polnischen Könige Ladislaus an. Olesnicki bestimmte ihn zur Annahme dieser Krone mit Zustimmung der polnischen Großen. Polen unterzog sich hiemit kühn der großen historischen Aufgabe, die Türken aus dem christlichen Europa zurückzudrängen. Die Blüte des polnischen Adels zog mit dem Könige nach Ungarn und mit ihm zusammen bis auf das blutige Schlachtfeld von Warna, wo im Jahre 1444 das polnisch-ungarische Heer vernichtet und der König getödtet wurde. Drei Jahre währte das Interregnum in Polen, während in Lithauen nach dem Tode des Großfürsten Sigmund der jüngere Bruder des Königs Ladislaus, Kazimir IV., zum Großfürsten erhoben wurde. In ihm trat auf den Schauplatz der polnischen Geschichte ein Mann, welcher berufen war, auf alle Verhältnisse bestimmend einzuwirken und dieser Geschichte eine neue Wendung zu geben. Vor allem besaß er ein tiefes Verständniß für die Nothwendigkeit eines innigeren Zusammenhanges zwischen Lithauen und Polen. Doch konnte dieses nur auf Grundlage vollkommener Parität durchgeführt werden. Nun aber bestanden zwischen den beiden Reichshälften Streitfragen, welche mit einem gewaltigen Bruche drohten. Das Streitobject bildeten die südlichen ruthenischen Provinzen Wolhynien und Podolien, welche von den Lithauern als zur Krone von Lithauen gehörend beansprucht wurden, während in Wirklichkeit der natürliche Schwerpunkt beider Provinzen infolge ihrer geographischen Lage sowohl in wirthschaftlicher Hinsicht, als auch in Bezug auf die Abwehr der Tataren in den rothruthenischen Fürstenthümern, beziehungsweise in Polen lag. Die Polen siedelten sich in diesen Provinzen, insbesondere in Podolien immer zahlreicher an, die Verwaltung und Vertheidigung ging immer mehr in ihre Hände über,und schließlich benützten sie den im Jahre 1430 erfolgten Tod Witolds, um Podolien mit Zustimmung des dortigen Adels unmittelbar mit der polnischen Krone zu vereinigen, während Wolhynien bei Lithauen blieb und in der Person des Awidrigiekto einen besonderen Lehensfürsten bekam. Während nun die Polen auch auf Wolhynien Anspruch erhoben, hörten die Lithauer nicht auf, Podolien zurückzufordern, und beide Theile verlangten vom Könige Kazimir, daß er den Streit nach ihrem Sinne entscheide. Nach dem Tode Ladislaus III. wollten die Polen die Krönung Kazimirs zum polnischen Könige von der ausdrücklichen Zuerkennung Wolhyniens und Podoliens abhängig machen. Deshalb zögerte Kazimir mit der Übernahme des polnischen Thrones, und selbst nachdem er sich hiezu im Jahre 1447 entschlossen hatte, fehlte es nicht an stürmischen Auftritten in der Versammlung der Großen des Reiches.