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die Festungsräume der ruthenischeu Fortalitien mit sogenannten Horodnien oder provi
sorischen Holzbaracken erfüllt, die für Einwohner des benachbarten Dorfes bestimmt waren,
und daß der Schutzsuchende hierher mit Waffen, Munition und Speisevorräthen kam.
Das XVIII. Jahrhundert ließ wenig an Bauten neuer Schlösser und Fortalitien
zurück; dafür begannen aber die polnischen Magnaten ihre Wohnstätten zu verschönern,
herrliche Gärten, Theater und Carroussels anzulegen, indem sie hierin dem Beispiel
Frankreichs und Deutschlands folgten. Das Schloß in Rzeszöw hinterließ in dieser
Richtung das Andenken an die herrlichste Residenz der Fürsten Lubomirski.
Malerei und Elastik.
Galizien besitzt zwei Hauptcentren der Entwicklung seiner Cultur, also auch seiner
Malerei und Plastik: Krakau, die einstige Hauptstadt des vormaligen Königreiches Polen,
und Lemberg, die gegenwärtige Hauptstadt des Landes. In beiden Städten war die
Bevölkerung bis zum Ende des Mittelalters vorwiegend eine deutsche und wurde erst in
der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts vollständig polnisch. Infolge dessen hatte sowohl
die Malerei, als auch die Sculptur jener Zeit einen vorwiegend deutschen Charakter.
Außerdem hatte Lemberg neben der deutschen und der polnischen eine ruthenische
Bevölkerung, welche andersgläubig war und die Bedürfnisse ihres Cultus auf Grundlage
byzantinischer, aus dem Osten ihr zusließcnder Traditionen befriedigte. Hier muß jedoch
gleich bemerkt werden, daß, während die Malerei des Westens schon in frühesten Zeiten
auf die byzantinisch-ruthcnische Malkunst Einfluß übte, diese letztere hingegen nicht den
geringsten Einfluß auf die Entwicklung und die Erscheinungen in umgekehrter Richtung
genommen hat. Wir werden uns vor Allem mit der Malerei und Plastik des Westens
beschäftigen, deren Entwicklung Glanzperioden ausweist, welche mit vollem Pulsschlag
zum Leben der gesammtcn Civilisation stimmten; dabei fällt Krakau naturgemäß in den
Mittelpunkt unserer Darstellung, während Lemberg nur in einer ergänzenden Weise
berührt werden soll. Wir werden dann auch über die byzantinische Malerei sprechen,
welche eines allgemeinen Interesses nicht ermangelt und es wohl verdient, besser bekannt
zu werden.
Die Zunft der Maler finden wir in Krakau im Jahre 1490 schon vollständig
organisirt, ihr Bestehen aber, durch viele Namen bezeugt, läßt sich bis zum Ende des
XIV. Jahrhunderts zurückführen. In Lemberg begegnen wir ihr in der zweiten Hälfte des
XVI. Jahrhunderts, obwohl sie zweifellos schon im XV.Jahrhundert existirte. Einen äußerst
wichtigen Einfluß auf die Anfänge dieser Malerei gewann die in der mittelalterlichen Kunst
eine so große Rolle spielende Schule von Prag. Schon die lebhaften Beziehungen zwischen