363 Die D'lusik. Kirchenmusik. — In der heutigen Völkermusterkarte des schönen, grünenBuchenlandes bilden die Rumänen und die Ruthenen den Urstock der Bewohner. Beide Völker bekennen sich zur griechisch-orthodoxen Kirche, der die Instrumentalmusik fremd ist, während der Gesang einen integrirenden Theil ihres Gottesdienstes bildet. So windet sich die kirchliche Vocalmusik wie ein duftender Blumenkranz durch die orientalische Liturgie und alle gottes dienstlichen Handlungen und ist eine treue Begleiterin des griechisch-orientalischen Christen von der Wiege bis zum Grabe. Der kirchliche Gesang ist hier dreifach: 1. der Einzelsang; 2. der unisone Antiphonensang und 3. der harmonische, mehrstimmige Chorgesang. Das Christenthum, welches jederzeit Wort und Ton zum Ausdruck seiner religiösen Gefühle wählte, brachte zahllose poetische und musikalische Erzeugnisse hervor: Hymnen, Lob- und Preisgesänge, Sonntags- und Festtagslieder, die sich trotz aller Vernichtnngswuth der römischen Imperatoren erhielten und ein unerschütterliches Bollwerk des Glaubens bildeten. So häuften sich durch mehr als sieben Jahrhunderte in der morgenlündischen Kirche Texte und Sangweisen ins Unglaubliche. Johannes, Minister des Kalifen von Damaskus, später Mönch im Kloster des heiligen Sawa (gestorben 776), brachte die Texte und Melodien in ein geordnetes System, theilte das gesammte Material in acht Haupt sangordnungen und benannte sein Werk „Oktoichos". Für den kirchlichen Unisonosang bildet der Oktoichvs bis auf den heutigen Tag eine unwandelbare Norm. Nach, welcher Hauptmelodie, nach welchem euutrm lirmus die Texte an Sonn- und Festtagen gesungen werden, zeigt das „Tipikonbuch" an. Die Melodien fixirte er mittelst verschiedener Stellung der Buchstaben des griechischen Alphabets, die er über den Text schrieb. Gegen das Ende des XU. Jahrhunderts erfand der Domestikos Didaskalos, das ist der Regenschori der kaiserlichen Sänger der Aja-Sophia zu Constantinopel, Johannes Knkuzelos, später Mönch aus dem Athos, für den griechisch-kirchlichen Unisonogesang eine eigene Schnörkelnotenschrift, die griechischen Nenmen, die bis zum heutigen Tage in der Patriarchalkirche von Constantinopel, auch theilweise in den Kirchen Rumäniens im Gebrauche steht, obgleich diese Notirungsweise der Psaltikia zum Verfalle des griechischen kirchlichen Einzelgesanges beitrug, weil sie selbst gebildeten Musikern durchaus unverständlich ist. Die Gesanglehrer oder Protopsalten besitzen gegenwärtig fünf ganz besondere Arten derartiger Noten griechischer Semiotik, welche nach Forkel 990 Zeichen erreichen. Dieses unklare und verworrene, linienlose Notirungssystem ist so schwer zu handhaben, daß die Sangweise blos durch oftmaliges Vorsingen mechanisch dem Ohre eingeprügt wird, welche mit der Zeit durch willkürliche Änderungen und Zugaben der Sänger viel von ihrer alten ursprünglichen Melodik und Originalität verliert.