21 Das Dlürztbal. Der natürliche Leitfaden bei Beschreibung eines Thales ist der Fluß, der es durchs zieht, und zwar in der Richtung vom Ursprünge bis zur Ansmündnng. >^ch wähle die entgegengesehte Richtung, erstens, weil ein Gebirgsthal vom niedrigsten Punkt«. ans besucht zu werden pflegt, und zweitens, weil die Natnrschönheit des Mürzthales dnn ^lusst entgegen die richtige Steigerung erfährt. Die stattliche Mürz hat von ihrem Ursprünge im Hochgebirge bis Bruck, wo sie sich in die Mur ergießt, 12 Meilen zurückgelegt. An zehn größere Bergwüsser zur Rechten und nicht weniger zur Linken hat sie in ihr von Weiden- und Erlenbüschen beschattetes Bett ausgenommen; es gibt keinen Berg in diesem Bereiche, der nicht seine klaren Bäckst«, in herabspringen ließe ins grüne sonnige Thal. Mancher Nebenfluß wallt in silberigem Gran daher, ein Zeichen, daß er aus den Wildnissen der Kalkselsen kommt. Das Mürzthal selbst ist nicht eines jener engen, düsteren Alpenthüler, wie sie von den Städtern so gerne besucht und so bald wieder verlassen werden, es ist eine hnteie Heimstätte für Menschen. Wer aus der schönen, schneeweißen Reichsstraße entlang wandelt, ostwärts hin, wie das Thal sich zieht, oder wer im Eisenbahnzuge das Thal durcheilt, der sieht wohl die mäßig hohen, freundlichen Berge, die reich mit Banerngründen, Feldern, Wiesen und Halden besprenkelt sind, und auf ihren Höhen und in ihren Engthälern viel Wald, weiten blauenden Wald. Zumeist ist es Fichtenwald, mit Tannen, Lärchen und Buchen gemischt. Das Hochgebirge, welches sich hinter diesen Höhen im Norden erhebt, sieht der Reisende vom Thale aus nicht. Ahnungslos eilt er an den wilden Herrlichkeiten des Hochschwab, der Veitsch vorüber, bis er bei Mürzzuschlag nach Norden einbiegend endlich hart am Fuße der Felsriesen ist. Von Bruck bis Mürzzuschlag ist das zumeist breite Thal reich an flecken, Dörfern und Sommerhäusern, an Schlössern und Ruinen, an Hammerwerken und Bauernhöfen. Die Wege und Feldraine sind häufig mit Ahornen und Eschen bestanden, an vielen Gehöften sieht inan schöne Lindenbäume. Die Reichsstraße ist streckenweise mit Ebereschen bepflanzt. Der Getreidebau hat den noch vor zwanzig, dreißig Jahren ins Thal reichenden Wald zungen und den Auen der Mürz fast allen Boden abgernngen. Man hört aber Meinungen, das Thal wäre schöner, wenn es mehr Wiesengründe hätte, und auch erträglicher; aber der Mürzthaler wandelt eigensinniger, als es die Pietät eigentlich verlangte, den Pfad den Vorfahren und baut Roggen, Weizen, Gerste und Hafer, wie man solcherlei vor der Eisenbahnzeit dort bauen mußte, auch heute noch und treibt die Viehzucht, die der Gegend naturgemäßer wäre, nur so nebenbei.