23 Das Kunsfgewerbe; Auch der Charakfer des indischen Kunstgewerbes ist durch das Klima bestimmt, welches während des gröfjten Teils des Jahres Sitzen und Liegen auf dem Boden begünstigt: Betten sehr leichter Konstruktion (ein paar Stangen und Gurten), Sessel und Throne (als fürstliches Vorrecht), kleine Taburetts, Koffer (oft aus Metall); sie waren oft mit Edelmetall und Steinen oder reichgeschnifztem Elfenbein belegt. An Messing- (aber auch Eisen-) Gegenständen sind vor allem Dllampen (ott in der Gestalt eines Mädchens: Dipalakshmi), Schmuck- und Schminkdosen, Parfümflaschen, Schreibzeuge, Wasserpfeifen, Geschirr üblich. Silber und Gold sind für Schmuck, aber auch für getriebene Tempel-, Grab- und Palasttüren in ungeheuren Mengen verwendet worden, doch ist wenig aus alter Zeit erhalten. Für Schwerter wurden off arabische und europäische (auch viel deutsche) Klingen vorgezogen, der Gritf bestand aus mit Silber eingelegtem Stahl, Walroljhorn, Jade oder Kristall. Eine charakteristische Dolchsorte (Kattar) hat einen H-förmigen Bügelgriff. Kanonen und Gewehre (obwohl schon im 14. Jahrhundert bekannt) kamen erst seit dem 16. Jahrhundert in allgemeinen Gebrauch, meist sehr lange Vorderlader mit Gabelstützen. Ring- und Plattenpanzer waren schon seit den Skytheneintällen bekannt, wurden aber wegen der Hitze nur zur Schlacht selber angelegt und wurden erst in mohammeda nischer Zeit allgemeiner; die Plattenpanzer bestehen meist nur aus vier einfachen, aber off schön niellierten Bruststücken (char- aina). Schilde waren aus Flufjpferdleder oder Metall, oft reich graviert oder lackiert, jedoch nie mit Wappen. Einfaches Ton geschirr war seit ältesten Zeiten üblich, oft reich bemalt. Gla sierte Töpfereien und auch Porzellan, aus China, Persien und schliefjlich Europa eingeführt, waren fast nur bei den Mo hammedanern üblich; sie wurden von den Hindus aber aus rituellen Gründen abgelehnt, wenn diese auch glasierte Wand kacheln und Ziervasen gelegenflich zuliefjen. Am besten ist das indische Kunstgewerbe in der Texfilkunst: Lungis, Odhnis, Do- paffas, Saris, Kamerbands usw., in einem Stück kunstvoll um den ganzen Körper, die Hüften, die Schultern, den Kopf (Turban = pagri) gewunden, durchsichtig wie Spinnengewebe oder schwer, mit Silber- und Goldfäden durchwoben, manchmal sogar mit Steinen besetzt. Daneben Bettdecken, Hochzeitsdeckchen usw., ott reich gestickt (phulkari, kasida-Arbeit), Web- und Knüpf teppiche (von Mohammedanern eingeführl). Genähte Kleider meist bei Männern der oberen Klassen und allen Mohammedanern. Künstlerische Entwicklung: Manche Leute betrachten Sand, andere die Gupta-Periode, an dere das Hindu-Mittelalfer, andere wiederum die Mogul-Zeit als das klassische Zeitalter indischer Kunst. In Wirklichkeit gab es eine ständige Entwicklung, in Theorie nicht selten tradifions- gebunden, jedoch immer Neues, Einmaliges hervorbringend. So gar das Hochmitlelalter macht davon keine Ausnahme; wenn auch seine Formen und Typen festlagen, so arbeitete es sie in immer neuen Kombinationen reicher und reicher aus, bis schließ lich dieser Reichtum den Charakter der Kunst in neue Richtungen abbog. Die Indus-Kultur begann mit dem noch recht ländlichen Lebens stil, der sogenannten ,Amri-Kulfur', entwickelte sich zu Welt städten und verkümmerte schließlich, in die Verteidigung gegen die besser bewaffneten arischen Eroberer gedrängt. Ihre Bildnerei (Kat. 1—12; 42—53), nur aus kleinen Werken bekannt, verrät ein viel mehr als im gleichzeitigen Alten Orient entwickeltes plasti sches Gefühl. Ober ihre Stilgeschichfe wissen wir vorerst herz lich wenig. Die früharische Zeit, uns nur aus literarischen Quellen bekannt, war eine altertümliche, magiegetränkte Bauern-, später auch Adelskultur gewesen. Die frühesten Steindenkmäler aus der Zeit der Maurya-Kaiser (4. bis 2. Jahrhundert v. Chr.) stehen augen scheinlich unter dem Einfluß der spätachämenidisch-persischen und, in gewissem Maße, auch der frühhellenistischen Kunst (Lö- wenkapitäl von Sarnath, griechische Palmette, Terrakotten); je doch ist die Verarbeitung dieser Fremdeinflüsse sehr selbständig und paßt sich der einheimischen Tradition an, welche vor allem in den Yaksha-Statuen bald die Oberhand gewann. Mit Aus nahme der Löwenfiguren sind alle Bildwerke aus Ashokas Zeit durchaus indisch in ihrem Empfinden. Die sehr lebendigen Terra kotten (Kat. 54—63) zeigen eine oft noch höchst barbarische Volkskulfur mit phantastischen Kopftrachten. Unter den Sunga-, Kanva- und Satavahana-Kaisern wurde diese Volkskunst allein maßgeblich. Die Holzbauten haben komplizierte, wenn auch plumpe Formen, die Skulptur hat sich zu Bharhut (Kat. 64 bis 73) noch nicht aus dem Block gelöst, hat weder Rundung noch freie Köpfe, Arme und Beine, der Ausdruck ist dumpf bäuerlich magisch. In den Reliefs von Sanci (Kat. 75 bis 81) ist die Frei heit errungen. Obwohl der Holzstil nachgeahmt bleibt, isf er leicht und elegant, auch im Stein, die Figuren bewegen sich leicht, die Welt ist ein Wunder voller neuer Entdeckungen. Zu