9 Die Schabkunst gestattet daher auch, in unver hältnismäßig kürzerer Frist Kolossalblätter herzustellen, zu welchen der Grabstichel Jahre brauchen würde. Sie hat diesen Vorzug im Laufe ihrer Geschichte auch völlig ausgenützt, und das ganz besonders im Fache des Portraits. Fast möchte man sagen, wie man heute das Oelgemälde durch Photographie und Phototypie rasch vervielfältigen kann, so hat auch die Schwarz kunst dem Portrait vervielfältigend nachgearbeitet und in kürzester Frist eine große Zahl Copien in dieser Kunst geliefert, ebensowohl für die Freunde des Originals, wie für den Kunsthandel. Zahllos, zum Theile kolossal in den Dimensionen, Brustbilder und Köpfe selbst in Lebensgröße, hat die Schwarzkunst solche Portraits im Laufe des 18. Jahrhunderts in ihrer Blüthezeit geliefert. Man zählt sie nach Tausenden. Und darin wurde sie von ihrer Zeit begünstigt, während diese ihr in anderer Weise zum Nachtheil diente. Das 18. Jahrhundert hatte noch große Portraitisten, ja diejenigen Englands zählen überhaupt in die Reihe der hervorragendsten Maler, welche die Kunstgeschichte kennt. Auch Frankreich kann sich in jener Epoche noch wenn nicht großer, doch bedeutender und vor trefflicher Portraitmaler rühmen. Anders ist es mit denjenigen Malern, welche die eigentliche Historie wie die religiöse Kunst vertreten, die Figurenmalerei im großen Stil, wie sie im 16. und noch im 17. Jahr hundert geblüht hatte. Dieser große Stil war nur noch äußerlich vorhanden; er lag nicht im Geiste der frivol gewordenen Zeit. Originalität, Kraft, Tiefe der Empfindung, Schärfe und Charakteristik des Ausdruckes hatte er eingebüßt; Schwäche in allen diesen Eigen schaften war sein Wesen. Wie also die Historienmalerei,