EUGENE CARRIERE PARIS 1849-1906. I n der französischen Kunst unserer Zeit nimmt Carriere eine gesonderte Stelle ein, eine Stelle, die uns gerade bei einem Pariser Künstler fast fremdartig anmutet. Pariser Künstler in dem Sinne, den das Wort Paris nun einmal hat, sind der Italiener Boldini, die Spanier Anglada und Gandara, der Anglo-Amerikaner Whistler und tausend andere Ausländer, die voll sind von Pariser Esprit bis in die Fingerspitzen. Bei Carriöre sucht man nicht nach Esprit und nicht nach Chic. Er hat eine stille Melancholie, tiefinnerliches Gemüt, leises, anheimelndes Seelenleben und Seelenwerben. Er schmettert keine Bravourarien, die uns im Sturm gefangen nehmen, er ist kein Heldentenor und keine Ballettänzerin. Es ist eine feine, stille Kammermusik, an der mancher unachtsam vorübereilt, die aber jeden festhält und nie mehr losläßt, durch dessen Ohr die lieben Töne ihren Weg zur Seele gefunden haben. Corot pflegte von seinen Bildern zu sagen, es wundere ihn nicht, daß der große Haufe achtlos an ihnen vorübergehe. „Aber es soll einer nur einmal stehen bleiben und hinschauen und warten, bis sich der Nebel verzieht, und dann muß er meine Bilder und mich liebhaben.” Dieses Wort des Meisters von Ville d’Avray paßt vielleicht besser noch auf Carriere als auf den Maler der im Morgen-