hauche bebenden Uferweiden. Um sich mit Carrieres Kunst zu befreunden, muß man stehen bleiben, muß man verweilen und schauen, bis der Nebel verfließt, und dann wird man den Künstler und seine Bilder liebgewinnen. Wie Corot die ganze stille und feine Poesie des Weihers, der Luft, der Bäume, der Singvögel auf die Leinwand bannte, so gibt Carriöre nicht das Porträt eines beliebigen Menschen, sondern er malt die Seele seines Modells, wie sie von seiner eignen Seele erkannt wurde. Er malt nicht eine Mutter mit ihren Kindern, sondern er malt die Mutterliebe und die Kindesliebe, er zeigt uns nicht, wie seine Töchter an einer bestimmten Altersstufe ausgesehen haben, sondern wie innig und warm er sie geliebt hat, wie zärt lich sein Vaterherz bei ihrem Anblicke schlug, wie er sein höch stes Glück im Kreise der Seinen fand. Und das ist doch trotz Courbet und dem Realismus immer noch das höchste, was uns die Kunst geben kann. Natürlich muß der Maler malen können; wenn er es aber kann, dann soll er uns mehr geben als eine bloße, rein sachliche Kopie. Schwind, dem wir getrost glauben können, meinte in seiner treuherzigen, drastischen Art: «Wenn einer so seine Freude an einem schö nen Bäumchen hat und er malt seine ganze Freude und Liebe hin, das ist doch was anderes, als wenn irgend ein Esel kommt und es buchstäblich abschmiert!» Die Gemütstiefe, die wir Deutsche zu Unrecht für unser Volk reservieren möchten, hat in den Franzosen Corot und Carrifere zwei ebenso ausgezeichnete Interpreten gefunden wie in den Deutschen Richter und Schwind und es ist sehr wahr scheinlich, daß die Franzosen dabei zwar nicht die besseren Zeichner, wohl aber weitaus die besseren Maler waren.