28 Saburö Murakami, Sakuhin: Hako (Werk: Kiste), 1956/1981. Museum of Contemporary Art,Tokio Saburö Murakami, Ato'e/i-ß//d, 1957 Rahmen spezifischer und begrenzter Möglichkeiten. Knapp fünf Jahre, nachdem Fontana die Leinwand durchbohrt und zerschnitten und Shimamoto sie erstmals aufgerieben hatte, durchbrach Saburö Murakami sie in einer Reihe von Werken auf dramatische Weise. Er schuf Bildoberflächen und Envi ronments aus Papier, durch die er sich mit einer gekonnten Anspielung auf die Tradition der japanischen Kampfkunst hin durchstürzte, Diese performativen Aktionen führten zu einem Relikt (zerrissenes Papier), das für die Dauer der Ausstellung, in der es präsentiert wurde, zu sehen war und anschließend zerstört wurde. Anstatt Objekte für die Nachwelt zu erzeugen, entschied sich Murakami, diese für jede Ausstellung neu herzustellen. Tatsächlich waren seine Anleitungen zu diesen Werken so präzise, daß andere sie ausführen konnten. Dies verlieh den Werken eine vom Künstler unabhängige Existenz und untergrub ihren ökonomischen Wert.^' Anläßlich der »First Gutai Art Exhibition«, die im Oktober 1955 in der Ohara Kaikan Hall in Tokio stattfand, führte Murakami Gleichzeitige Öffnung von sechs Löchern (Isshun ni shite rokko no ana o akeru) auf. Dieses Werk, das die Tradition der Shöji und Fusuma, Raumteiler aus Papier und Holz, in eine hero ische Dimension steigerte, bestand aus einer Serie von drei etwa 1,80 x 3,60 Meter großen Papierpanelen, die Murakami sechs Mal durchbrach. Die Dimensionen der Arbeit ähnelten den wandgemäldegroßen Bildern Pollocks und der Abstrak ten Expressionisten, obwohl für Murakami die performative Komponente wichtiger war als die Herstellung eines dauer haften Objektes, die stets das ultimative Ziel der Maler des Action painting blieb. Murakami sprengte seine sorgfältig kon struierten und nach den Regeln des Kunsthandwerks straff bespannten Holz- und Papierschirme in einer einzigen gesti- schen Bewegung. Der sich durch die Bildoberfläche schleu dernde Künstler attackierte so gleichermaßen Traditionen west licher und östlicher Kunst, und war zudem eine Metapher für die Atombombe, die das Gefüge der Menschheit zerrissen hatte. Gleichzeitig zu seinen gestischen Performances schuf Mura kami eine partizipatorische Arbeit in Form eines manueli her gestellten hölzernen Kubus, Noch vor Piero Manzonis Magi schem Sockel (Base Magica) und Yoko Onos Painting to Be Stepped On forderte er die Betrachter auf, »bitte auf dem Sockel Platz zu nehmen«, und verwandelte den Zuschauer so in einen an der Vollendung des Werkes aktiv Beteiligten. Für die »Second Gutai Art Exhibition«, die im Oktober 1956 in der Ohara Kai kan Hall stattfand, stellte Murakami einen zweiten Kubus her, auf den er folgende Anleitung schrieb: »Bitte legen Sie Ihr Ohr an die runde Markierung auf der Oberseite der Kiste.« Darin befand sich eine Uhr, die zu nicht kalkulierbaren Zeiten verschiedene Klingelzeichen abgab. Die konzeptuelle Natur solcher Arbeiten unterstreicht den ebenfalls konzeptuellen Ansatz von Murakamis gestischeren und theatralischeren Wer ken. Und schließlich schuf Murakami zur gleichen Zeit Arbei- 21 Alexandra Munroe (wie Anm. 16), S. 91.