40 Niki de Saint Phaiie, Tir de I’Ambassade Americaine (Tir der amerikanischen Botschaft), 1961. Sammlung der Künstlerin Arbeit mit dem Titel Portrait of My Lover her, in der der Kopf der Gestalt eine von Wurfpfeilen durchlöcherte Zielscheibe war; im gleichen Jahr schuf sie auch ihre ersten tirsP Um diese Arbeiten herzustellen, brachte Saint Phalle auf ihren Assemb- lagen Ballons an, die mit Farbe gefüllt waren. Jede Farbe hatte ihren ganz bestimmten Platz. In einem von ihr entworfenen blütenweißen Schießanzug zielte sie dann und drückte ab. Der Akt, durch einen gewalttätigen Gestus ein Bild zu kreieren, erin nert an die Performances von Shimamoto, bei denen er mit Farbe gefüllte Flaschen explodieren ließ oder mit einer Farb- kanone schoß. Gelegentlich bat Saint Phalle andere, zu schießen, zum Beispiel in ihrer ersten eigenen Ausstellung im Juni 1962 in der Pariser Galerie J, die auch Daniel Spoerris erstes Restaurant finanziell unterstützte. Saint Phalle stellte in den Jahren 1961 und 1962 mehr als zwölf tirs vor. Sie erregte in den Medien ähnlich viel Aufsehen wie Tinguely, so daß damals mehr als fünfzig internationale Magazine und Zeitschriften über sie berichteten. Diese Be kanntheit führte dazu, daß sie nach Malibu in das Strandhaus der Galeriebesitzerin Virginia Dwan eingeladen wurde, wo sie mit der Hilfe von Ed Kienholz Ihre ersten beiden amerikani schen tirs vorstellte. Rauschenberg, der ihr bei einem tir assi stiert hatte, das sie am 23. Mai 1961 in der Staket-Sandgrube in der Nähe von Värmdö in Schweden im Rahmen der Aus stellung »Rörelse I Konsten« vorführte, die Stockholms Mo- derna Museet organisiert hatte, half bei der Konstruktion von Saint Phalles zweitem amerikanischen tir, das im März 1962 auf dem Parkplatz des Renaissance Clubs auf dem Sunset Boulevard in Los Angeles stattfand. Saint Phalles Be rühmtheit war 1962 auch der Grund für eine Ausstellung mit ihren Arbeiten in der New Yorker Galerie lolas, und ihr Beneh men wurde zum Vorbild für die Künstlerin, die Shirley McLaine in dem Hollywoodfilm What a M/ay to Go spielte. Ein anderer mit dem Nouveau Realisme in Verbindung ste hender Künstler war Daniel Spoerri. Anfang der sechziger Jahre schuf Spoerri eine Reihe von Assemblagen - seine Fallenbilder (tableaux pieges) - die die letzten Augenblicke des Essens eines Gastes einfingen und einfroren. Der Teil des Tisches oder der Unterlage, auf dem das Essen stattgefunden hatte, wurde befe stigt, danach vertikal ausgerichtet und wie ein Bild aufgehängt. Obwohl sie vordergründig Teil der Trash-Ästhetik zu sein schie nen, die damals in den USA und in Frankreich vorherrschend war, waren diese Arbeiten eher Photographien, die einen / 33 Niki de Saint Phalle, Brief an Pontus Hülfen, in: Hülfen, Niki de Saint Phalle, Aussf.-Kat., Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1992 'r