44 Robert Rauschenberg (mit John Gage), Automobile Tire Print (Autoreifenabdruck), 1953. Sammlung des Künstlers wichtiger Vorläufer für die Handhabung der Linie durch andere Künstler wie zum Beispiel Piero Manzoni, James Lee Byars und Nam June Paik. Rauschenbergs Interesse an der Erforschung des performa- tiven Akts zeigt sich auch in seiner Teilnahme an der Perfor mance von Johns, Saint Phalle und Tinguely im Jahre 1961 im Theatre de l’Ambassade des Etats-Unis in Paris. Im Ge gensatz zu Mathieu bemalte Rauschenberg die Leinwand, der er den Titel First Time Painting gab, mit der Rückseite zum Publikum, das das fertige Bild nie sah. Das Bild war fertig, als ein daran befestigter Wecker zu klingeln begann (auf dieses Signal hin verpackte Rauschenberg das Bild in Papier und über gab es einem Hotelpagen aus dem Hotel du Pont Royal, in dem er wohnte). Mit dieser Geste wies er darauf hin, daß der Akt des Malens wichtiger war als das, was er malte - eine In terpretation, die noch durch den Einsatz des Weckers in die ser Arbeit unterstrichen wurde. Second Time Painting, das er ein Jahr später schuf, war ebenso mit einer tickenden Uhr versehen. Außerdem setzte er in den meisten seiner großen Arbeiten von Mitte bis Ende der sechziger Jahre Klang-, Bewe- gungs- und lichtempfindliche Apparate ein. Die technologisch komplexesten dieser Arbeiten wurden mit der Hilfe von Billy Klüver geschaffen, einem Elektroingenieur der Firma Bell Systems, der mit Tinguely an Homage to New York gearbeitet hatte und auch anderen Künstlern bei der Verwendung tech nischer Mittel behilflich gewesen war. Zur gleichen Zeit, als Rauschenberg diese Arbeiten schuf, wuchs auch sein Interesse an der Performance. Am 4. Mai 1962 nahm er an einer weiteren Performance mit Saint Phalle und Tinguely teil, dem fünfzehnminütigen Theaterstück des Dichters Kenneth Cox mit dem Titel The Construction of Boston, das im New Yorker Maidman Playhouse gezeigt wurde. Bei dieser Aufführung zeichnete Rauschenbeng fürdie Ausstattung und die Lichtregie verantwortlich, er war gleich zeitig Stage Manager und Performer. In letzterer Funktion bediente er eine von Tinguely hergestellte Maschine, die Kugeln über die Zuschauer und Regen über die Performer ergoß; Saint Phalle führte einen ihrer tirs vor, indem sie auf eine Statue der Venus von Milo schoß, die zu bluten schien; Tinguely errichtete eine Mauer zwischen den Performern und den Zuschauern. Diese Zusammenarbeit öffnete den Bereich der Performance erneut für das kreative und phan tasievolle Spiel. Rauschenberg hatte seit 1945 für Cunningham Ausstattun gen, Kostüme und Licht gemacht. Abi 963 regte ihn sein Inter esse an der Performance-Kunst dazu an, ein eigenes Werk mit dem Titel Pelican zu choreographieren; es war die erste