Joseph Beuys, / like America and America likes Me, 1974. Sammlung Block. Der Rest des Stückes bestand darin, daß Beuys längs einer eingezeichneten Linie einen toten Hasen manövrierte, des sen Beine und Ohren mit langen, dünnen, schwarzen Holz stäben verlängert waren. Wenn er den Hasen auf seinen Schultern hatte, berührten die Stangen den Fußboden. Von der Wand aus ging Beuys zur Tafel, wo er den Hasen nie derlegte. Auf dem Rückweg geschahen drei Dinge: Er streute weißes Puder zwischen die Beine des Hasen, steckte ihm ein Thermometer in den Mund und blies in eine Röhre. Danach wandte er sich der Tafel mit dem halben Kreuz zu und ließ den Hasen mit den Ohren wittern, während er selbst einen Fuß, an dem eine Eisenplatte festgebun den war, über einer ebensolchen Platte zu Boden schwe ben ließ. Ab und zu trat er hart mit dem Fuß auf diese Platte.“ Die Relikte, die nach der Aktion übriggeblieben sind, haben sich in den darauffolgenden Jahrzehnten zu einer Art Turiner Leichentuch entwickelt, insofern sie Bedeutungen verkörpern, die sich aus ihrer eigenen mythischen Geschichte herleiten. Dazu zählen die Tafel, der Hase, die Stäbe und ein Filz- und Fettdreieck, dessen Maße den Abständen zwischen ihnen entsprachen und auf der Tafel notiert waren. Erst Ende der sechziger Jahre begann Beuys die Objekte aus seinen Per formance-Events wieder als einzelne, für sich selbst stehende Skulpturen herzustellen - als Stellvertreter der Aktionen, für die sie urspünglich konzipiert worden waren. Zu diesem Zeit punkt verfügte er bereits über ein großes Lager, das mit Objek ten angefüllt war, die er biidhauerisch zu verändern begann, indem er sie in Kisten verpackte, mit Photographien versah, so daß er sie in Museen und Galerien ausstellen und Samm lern anbieten konnte. Die Transformation des Relikts in eine Skulptur war für Beuys eine logische Erweiterung jener bild hauerischen Aktivitäten, denen er sich vor seinen ersten Per- formances gewidmet hatte. Gleichwohl steht diese Entschei dung im Widerspruch zur objektfeindlichen Einstellung vieler Fluxus-Künstler, In der Tat blieb die Generation von Künstlern, die in den späten sechziger und den frühen siebziger Jahren auftrat, genau zwischen diesen beiden Positionen gespalten. 1974 lud Rene Block Beuys in seine neue Galerie in New York ein, um eine Aktion mit dem Titel / Like America and America Likes Me zu zeigen. Diese Aktion bestand aus Beuys’ Versuch, sich mit einem wilden Koyoten namens Little Joe anzufreun den, der zur Galerie transportiert wurde. Bei seiner Ankunft im John F. Kennedy Airport am 21. Mai war Beuys vollkom men in Filz eingehüllt und wurde sofort mit einem Kranken wagen in die Galerie gefahren. Der Koyote wurde hinter eine Wand aus geflochtenem Draht gesperrt, die das Innere des Ausstellungsbereiches teilte. Beuys betrat die mit Heu bedeckte Einfriedung. Mit seinem Filzmantei und einem Schäferstab in den Händen verlangte er, daß täglich fünfzig Exemplare des Wall Street Journals, eines Symbols des amerikanischen Kapi talismus, in die Galerie geliefert würden, um sie in zwei Säu len von je fünfundzwanzig Stück aufzustellen. Dazu musizierte er auf einem an seinem Hals hängenden Triangel. Der Koyote schlief zumeist in der entferntesten Ecke und reagierte nur gelegentlich auf Beuys und die Zeitungen - aber mit der Zeit gewöhnten sich die beiden aneinander. Die Aktion endete am 25. Mai, als Beuys dem Koyoten Lebewohl sagte und mit dem Krankenwagen zum Flughafen zurückgebracht wurde. Obwohl die Aktion den Anschein hatte, als wäre ihr Thema der Pro zeß des Dauerns, gestattete es sich Beuys, zumindest wenn die Galerie geschlossen war, Freunde wie Paik und Block oben zum Abendessen zu treffen. Die photographische Dokumen tation des Events unterstrich jedoch, daß Künstler und Koyote im Kontext eines eingezäunten, performativen Envi ronments ausschließlich miteinander interagiert hätten. Im Ge gensatz zu Künstlern wie Acconci, Bürden, Tehching Hsieh und anderen, die in den siebziger Jahren aufkamen, entschied sich Beuys für die symbolische Tradition seines europäischen Erbes und nicht für ein Wörtlich-Nehmen der Dimension der Dauerhaftigkeit einer Performance. Als Beuys diese Arbeit fünf Jahre später wiederholte, fügte er die noch vorhandenen Elemente, die Ausgaben des Wall Street Journals, den Schäferstab und die Filzkleidung, in die neue Installation ein. Das Environment wurde durch einen Geröll haufen als substantielle Barriere zwischen der Installation und den Zuschauern geteilt; Beuys schüttete Schwefel auf den Boden und die Objekte. Der dramatische Effekt dieser Instal lation lag eher in der symbolischen Bedeutung der Objekte als in der Aktion, in der sie ursprünglich eingesetzt worden waren. In Ergänzung zu diesen dramatischen Aktionen veranstaltete Beuys in den sechziger und siebziger Jahren auch einflußrei che Vorlesungsreihen mit seiner schwarzen Tafel. Diese poli tisch aufgeladenen Präsentationen bildeten eine Antithese zu Mathieus Maidemonstrationen mit ihrer gezeichneten Schlachtengeschichte, die von der romantischen Faszination des MalersfürdieRifterzeitZeugnisablegten.Obgleich Beuys 64 Troesl Andersen, zitiert in: Heiner Stacheihaus, Joseph Beuys, Leipzig 1989, S.146.