84 Tehching Hsieh, Punching the time Clock on the Hour {Stündlich die Stechuhr drücken), Einjährige Performance, 11. April 1980-11. April 1981 I in diesen Tafelvorlesungen schematisch zeichnete, ausradierte und wieder zeichnete, waren die eingesetzten Materialien ein fache Objekte ohne theatralische Konnotationen. Durch die se Tafelvorlesungen wandelte Beuys die Rolle des Künstlers von der des Entertainers zu der des Lehrers, vom Clown zum Politiker, vom Schamanen zum Professor. In der Folge waren die Künstler der nächsten Generationen gezwungen, eine neue Verantwortung für die Definition der geopolitischen Kultur, in der sie lebten, zu übernehmen. Wiener Aktionismus Die Gruppe der Wiener Aktionisten, zu denen Günter Brus, Otto Mühl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler ge hörten, wurde offiziell im Juli 1965 gegründet, obwohl die betref fenden Künstler bereits seit 1962 ihre Arbeiten aufführten. Aus ^ den statischen Arbeiten der Künstler mit den Medien der Male- I rei, Collage, Assemblage und Installation hervongegangen, waren die Performances der Wiener Aktionisten rituelle Aktio- I nen, die von Musik und dem Wühlen in Tierkadavern beglei- I tet wurden. Von Nitsch als Abreaktionsspiele bezeichnet, ver- f deutlichten diese Performances das Interesse der Aktionisten j an einer Vielzahl von kulturellen Phänomenen, darunter dem j Dionysos-Kult, den Ritualen der katholischen Kirche, den I psychoanalytischen Theorien von Sigmund Freud, C.G. Jung i und Wilhelm Reich sowie an ausgewählten österreichischen 1 Künstlern wie Egon Schiele oder Oskar Kokoschka und auch 2 an jenen Künstlern, die mit mit Happenings und Nouveau Rea- I lisme in Verbindung standen. Obwohl sich die Performance-Malerei Mitte der fünfziger Jahre aus den Experimenten der Gutai-Gruppe entwickelt hatte, erfuhr sie erst in Nitschs Werk und in der provinziellen Haupt stadt Wien ihre emphatischste und fleischlichste Verkörperung. Bis zu den frühen Sechzigern hatte Nitsch die dritte Welle der Abstraktion der New York School in eine der gebärdenreich sten, körperbetontesten, sexuell provokantesten und psy chologisch zündendsten Kunstformen überführt, die je ge schaffen wurden. Einerseits können Nitschs Bilder, die Zeug nis von seiner unaufhörlichen Bewunderung für Pollock und das Action painting abiegen, als wohl letzter Ausdruck der New York School gesehen werden. Doch bereits 1960 führte er mit Arbeiten wie Ohne Titel {Brot und Wein) die Themenbereiche von Erinnerung, Geschichte und Biographie in sein künstle risches Vokabular ein - Themenbereiche, die dem Action • painting üblicherweise fremd waren. Durch diese sehr per sönliche Sprache drückten seine Gemälde eine bestimmte Düsternis aus, wie man sie aus Werken der unterschiedlich sten Künstler, von der Gutai-Gruppe bis Grooms und Vostell kennt. Durch den Umgang mit Blut, mit dem Nitsch seine Lein wände tränkte, entstand eine spezifisch rituelle Qualität, die den Weg zur Performance ebnete, deren erste am 19. De zember 1962 in Mühls Wohnung stattfand. In diesem Rahmen wurden die rituellen und religiösen Gefühle wieder eingeführt, die das Gewicht von Geschichte und Psychologie in Europa jahrhundertelang geprägt hatten. Wiens lange Tradition psy- choiogischer Introspektion sowie Österreichs Mitschuld am Zweiten Weltkrieg machte diese letzte Bastion traditioneller ( Figürlichkeit reif für die performance-basierte Malerei, die ihr komplexe Bedeutungsschichten hinzufügen sollte, um eine letzte Blüte hervorzubringen, die in ihrerTheatralität fast barock anmutet. Wie Nitsch kämpfte auch Mühl gegen den erstickenden Informel, der auch als Tachismus bekannt ist, indem er die Beziehung zwischen Schöpfer und Objekt kör perlich veränderte. Diese Erweiterung hatte zwar nicht die ästhetische Qualität der Assemblage, führte aber zu Qbjek- ten mit verkrusteten Geschichten, wie sie nach der Sintflut ) Zurückbleiben. Trotz der Bedeutung dieser Arbeiten, die sich im Lauf der Zeit in Performances verwandelt haben, ist es erst die photographische und filmische Dokumentation, die ein rich tiges Verständnis seines Werks ermöglicht - ein Werk, das von i der Obsession der Dualität von Sexualität und Geschichte geprägt ist. Arbeiten wie Leda und der Schwan und O Tan nenbaum sind extreme Provokationen einer Tradition, deren Bestandteil sie doch zugleich sind. Obwohl er kein Mitglied der Wiener Aktionisten war, spielte ! Gustav Metzger eine wichtige Rolle in der Verbreitung ihres Werkes. Im Jahr 1966 war Metzger für seine Theorien zur Schönheit und Kreativität des Destruktiven schon weithin bekannt, die er erstmals am 4. November 1959 in seinem ersten ^ Manifest veröffentlicht hatte. Metzger veranstaltete das erste internationale Zusammentreffen von jenen Künstlern, die mit Fluxus, Wiener Aktionismus und anderen Bewegungen in Ver bindung standen; vertreten waren unter anderen Hermann Nitsch, Otto Mühl und Jerzy Beres aus Wien, AI Hansen, Yoko ■ Ono und Raphael Montanez Ortiz aus New York und Barry Fla- nagan, John Latham und John Sharkey aus London. Metz-