92 Vito Acconci, Command Performance (Befehls-Performance), 1974. San Francisco Museum of Modern Art, Accessions commitee Fund: Geschenk von Mrs. Robert MacDonnell, Byron R. Meyer, dem Modern Art Council, Norman C. Stone und dem National Endow- ment for the Arts such, mit seinem Publikum übereine räumliche Trennung hin weg zu kommunizieren. Da der Betrachter Acconci nicht sehen konnte, mußte er sich abstrakt mit ihm auseinandersetzen; durch die Art der Monologe, die Acconci beim Masturbieren von sich gab, hatte die Begegnung jedoch durchaus intimen Charakter. Obwohi die psychologische Intensität der Perfor mance durch den Akt der Masturbation entstand, behauptete er, daß ihm »die Idee mit der Masturbation erst eine Woche vor Aufführung des Stücks« gekommen sei.'= Die Umkehrung der Rolien von Künstler und Betrachter, die sich in Seed Bed angekündigt hatte, erreichte in Command Performance, einer Performance mit Video, die im Januar 1974 in der Greene Street 112 in New York aufgeführt wurde, ihren Flöhepunkt. Kate Linker beschreibt, daß Acconci in dieser Per formance die vorhandenen drei Säuien dazu benutzte, um »die Galerie mittels dieser in einer Übertragungslinie angeordne ten >Austauschpunkte< in zwei Flälften zu teilen. Am Fuß der ersten Säule war ein Bildschirm angebracht, der dem von einem Spot beleuchteten Stuhl gegenüberstand (Eine) Video kamera, die auf den Stuhl gerichtet war, übertrug das Bild auf einen weiteren Bildschirm an der dritten Säule der Reihe. An den Fuß dieser Säule legte Acconci einen Teppich, auf dem es sich das Publikum bequem machen konnte.« Linker schreibt weiter, daß der Künstler die Zuschauer mit »Komm’ her, Baby, bewege dich ... komm in den Spot... dieser Stuhl nur gehört dir allein ... nimm ihn, Baby,... zeig es ihnen...« zur Teilnahme aufforderte, was damit endete, daß sich der Zu schauer schließlich als Supermann verwirklichen sollte (»Du wirkst dort so riesig ... überlebensgroß ... / Du siehst dort be stimmt großartig aus«). Im Zusammenspiel mit seinem Pub likum gestand Acconci, daß sein Werk bisher »zu privat [gewesen war]... ich hatte Angst, aus mir herauszugehen ... die Welt zu entdecken ... du kannst mir zeigen, wie man stark ist... groß ... öffentlich.« In dieser Performance wurde der Betrachter selbst zur Auf führung und nahm schließlich den Platz von Acconci, dem Künstler, ein. im Video wechselt Acconci sein Geschlecht, wird vom Gehorchenden zum Befehlenden und erteilt dem Betrachter Befehle: »Wie ein kleiner Flund ... spring auf den Stuhl... setz dich auf, komm zu mir.../zeig ihnen den Flintern ... zeig mir den Flintern ... jetzt machst du, was ich immer tun mußte... wedle mit dem Schwanz.«™ Acconci kreierte so eine neue Art von strukturellem Environment, eine Konfrontation, 75 Vito Acconci, Interview mit Robin White, in: View, 2, 5-6, Oktober-November 1979, S. 23. in der der Betrachter als Requisit in einem sadistischen Spiel manipuliert wird, wahrend andere Betrachter dies voyeuristisch auf dem zweiten Bildschirm verfolgen. Im gesamten Video erscheint Acconci lediglich als Sprecher auf dem Bildschirm, der gegenüber dem Stuhl angebracht ist. 1968, ein Jahr bevor Acconci seine erste Performance auf führte und Nauman Performance Corridor ausstellte, schuf Mowry Baden / Walk the Line, eine Plastik, bei der der Betrach ter einen etwa sieben Meter langen Gang mit einer plastischen »Linie« zwischen den Beinen entlang gehen mußte. Badens Arbeiten zwangen das Publikum in unangenehme Situationen, in denen sein Interesse an der Kinästhesie - an physischen Wahrnehmungen und den Veränderungen neuromuskulärer Prozesse während der körperlichen Bewegung durch das Werk - zum Ausdruck kam. In Seat Belts (1969-71) untersuchte Baden den Unterschied zwischen dem Gefühl, das man emp findet, während man mit einem um die Taille geschlungenen Band am Boden festgebunden ist und in einer Art Kreis geht, und der Vorstellung, wie es sich anfühlen würde. Seine Absicht war, die vorhandenen »Körperprägungen« der Be trachter zu manipulieren, um ihre Gleichgewichtswahrneh mungen durcheinanderzubringen; in plastischer Flinsicht strebte er die Erzeugung neuer »sensorischer Prägungen« an. Bei Instnjment, einem etwa fünf Meter langen Gang aus Alumi nium und Stahl mit einer wellenförmigen Schiene für den Kopf, beschränkte sich die Mitwirkung des Betrachters auf Augen und Kopf. Beim Durchschreiten dieses visuellen Korridors nahm das Gehirn des Betrachters eine Reihe von wellenartigen Verengungen und Erweiterungen wahr. Badens Experimente mit plastisch-psychologischen, körperorientierten Arbeiten Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre übten großen Einfluß auf andere Künstler wie Charles Ray und Chris Bürden aus, die beide seine Schüler waren. Im Unterschied zu seinem Lehrer, der sein Leben lang relativ unbekannt blieb, zog Chris Bürden bereits zu Beginn seiner Laufbahn ein außergewöhnliches Maß an internationaler Auf merksamkeit auf sich. Im Jahr 1971, als er noch an der Uni- versity of California in Irvine studierte, schuf Bürden ein Werk, das weit über seine bescheidenen Ursprünge hinaus bekannt werden sollte. Five Day Locker Piece, die Abschlußarbeit sei nes Kunststudiums, bestand darin, daß ersieh fünf Tage lang in ein 60 x 60 x 90 cm großes Schließfach einschließen ließ. Im Schließfach darüber befand sich eine Flasche mit Wasser, 76 Vito Acconci in: Kate Linker, Vito Acconci, New York 1994, S. 61-62.