151 Natürlich wurden die »schockierenden« Aktivitäten der Künstler oft als Teil des Lebenstils der jüngeren Genera tion und nicht als Kunst verstanden, wogegen die Künst ler aber im Grunde nichts hatten. Akasegawa erinnert sich: »Außerdem waren die Feature-Redaktionen der Wochenzeitschriften hinter uns her, um ihre Klatschspal ten zu füllen, und die Künstler des Neo-Dadaismus hat ten auch den Mut, darauf einzugehen. Das beliebteste Objekt der Photographen war natürlich Ushio Shinohara mit seinem Irokesenschnitt. Shinohara gab des öfteren damit an, daß ihn wieder soundsoviele Magazine in einer Woche interviewt hatten, und zählte sie an seinen Fin gern auf. Vulgär wie die Medien waren, forderten sie uns heraus, immer neue Materialien benutzen.«'f Da die “Yomiuri Independant«-Ausstellung von Yomiuri Shim- bun, dem größten Zeitungsverlag in Japan, gefördert wurde, war die Anerkennung auf der Ausstellung ebenso wichtig wie der Erfolg bei der Presse. Für die Künstler bedeutete dies schlichtweg mehr Publicity. Die Künstler suchten außerdem aktiv den Kontakt mit Kunstkritikern, sowohl mit bereits bekannten wie Shuzo Takiguchi als auch mit jüngeren wie Yoshiaki Tono und Yusuke Nakahara. Viele der Kritiker suchten wiederum die Künstler in ihren Ateliers oder bei Ausstellungen auf und ließen sich auf Diskussionen über das Konzept der »Anti-Kunst« ein. Auch bei dem sogenannten »Tausend- Yen-Schein-Prozeß« spielten die Kritiker eine wichtige Rolle: Sie wurden von der Verteidigung als Zeugen gela den und traten für die Künstler ein. Trotz ihrer antiauto ritären Flaltung verstanden sich die Neo-Dadaism Orga nizers im Grunde jedoch als Elite der »Yomiuri Indepen- dant«-Künstler, und ihre Beziehung zu den Kritikern war ihnen wichtiger als das Verständnis einer breiten Öffent- lichkeit.'^2 Die Vorgangsweise des Fli Red Center (dessen eigentli che Aktivitäten erst nach dem Ende der »Yomiuri Inde- pendant«-Ausstellung begannen) unterschied sich völlig von jener der »Yomiuri Independant«-Künstler, die durch Aggression, Abwertung des Objekts im Gegensatz zur Aktion und starke Einbeziehung der Medien gekenn PSYCHE JOURNAL, AUGUST, 1967 ADONIS CAIALOGUt Ot SHZtP WORKS Genpei Akasegawa, Tausend-Yen-Schein-ProzeB, 1967 zeichnet war. Für das Fti Red Center spielte das Objekt eine wichtige Rolle. Auf der »Yomiuri Independant«-Aus- stellung präsentierten die führenden Mitglieder - Taka- matsu, Akasegawa und Nakanishi - Schnüre, Glasscher ben und eine Unmenge von Wäscheklammern: Die Schnüre und Wäscheklammern wurden von den Fiänden der Betrachter im Galerieraum verteilt, und die Glas scherben riefen bei den Besuchern das unangenehme Gefühl hervor, sich geschnitten zu haben. Alle Aktionen bezogen das Publikum direkt mit ein. Während die Objekte von Shinohara und anderen die Spuren einer körperlichen Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Material trugen, blieben die Arbeiten des Fli Red Center anonym. Statt dessen wurde die Beziehung zwischen Künstler und Betrachter ein Thema. Bevor die eigentlichen Aktivitäten begannen, veranstal teten Akasegawa und andere Mitglieder ein Happening, in dem sie vor den Augen eines hungrigen Publikums ihr Abendessen verzehrten. Das erklärte Ziel war, die Zuschauer zu provozieren. In Hinblick auf die Beziehung zum Objekt ist Akasegawas Bemerkung: »Ich mache mich zum Objekt, um mein Gegenüber herauszufor- dern«''2^ aufschlußreich. Nakanishi (und andere) schmink- 41 Genpei Akasegawa, Imaya akushon aru nomi! Yomiuri andepan- dan to iu gensho (Nur die Aktion zähit! Das »Yomiuri indepen- dant—Phänomen),Tokio 1985, S. 149. 42 Zitat von Raiji Kuroda, ibid., S. 9. Auch die Zero Dimension Gruppe und die Künstier der »Yomiuri Independant«-Aussteilung kritisierten die eiitäre Einstellung der Neo-Dadaism Organizers. 43 Genpei Akasegawa, »Zadankai: Chokusetsu kodoron no kizashi ii« (Diskussion: Ein Symptom direkter Aktion li), in: Keisho, 8, 1962.