155 Hi Red Center, Der Ochanomizu Fall (Fall-Event), 1964 seinem Atelier ausführte und zu dem er nur eine begrenzte Anzahl von Photographen zuließ, luden die Gutai-Künstler zu ihrer zweiten Ausstellung Journalisten ein und schufen ihre Werke in aller Öffentlichkeit, um die Bilder mit einem bestimmten Ort zu verknüpfen. Diese Ortsbezogen heit ist in der gesamten Kunst der sechziger Jahre zu beobachten. Wie bereits erwähnt, fanden die »Yomiuri Independant«-Ausstellungen im Tokyo Metropolitan Art Museum statt, da Künstler mit ungewöhnlichen Werken es schwer hatten, Ausstel lungsorte zu finden, und mit ihren radikalen Ausdrucks- formen auf offene Ausstellungen angewiesen waren. Die ausgestellten Werke inspirierten wiederum andere Künstler zu noch größerer Radikalität. Als Akasegawa beispielsweise über Methoden zur Integration von All tagsgegenständen in künstlerische Arbeiten sprach, fan den solche Objekte in der Folge prompt in die »Yomiuri Independant'<-Ausstellung Eingang: »Zunächst benutz ten wir die Technik, die Galerie mit Sand zu füllen, den wir - zuerst noch vorsichtig - unter die Farbe gemischt hatten, im folgenden Jahr steigerten wir uns dann und benutzten Steine. Dann, wie bei einem Wettbewerb, erschienen Blechstücke und zerfetzte Unterhemden, und eine Unmenge von Nägeln wurden in die Leinwand gehämmert, und der Kampf um die Darstellung der Beschaffenheit der Bildoberfläche hatte begonnen.<A9 Das Museum begünstigte immer radikalere Ausdrucks formen und garantierte gleichzeitig den künstlerischen Charakter der ausgestellten Objekte oder aufgeführten Aktionen.Takamatsus Schnüre und Nakanishis Wäsche klammern galten nicht als die banalen Alltagsobjekte, die sie in Wirklichkeit waren, sondern als Kunst, und die provokativen Flappenings des Hi Red Center wurden nicht als kommerzielle Veranstaltungen betrachtet, son dern als Aktionskunst. Allen gemein ist aber die Bezie- 48 Yozo Ukita, »Manatsu no taiyo ni idomu yagai modan ato jikken ten<' (wieAnm.5). 49 Genpei Akasegawa, »Jikaisuru kaiga no uohigawa« (Das Innen leben des selbstzerstörenden Bildes), in: Art Vivant, 21,1986, S. 92. hung zum Ort. Nicht die Werke bestimmten den Ort, son dern der Ort war maßgeblich für die Werke. So fand die zweite Ausstellung der Neo-Dadaism Organizers im Ate lier von Masunobu Yoshimura, dem sogenannten »Weißen Haus für radikale Künstler« statt, das Arata Iso- zaki entworfen hatte und das eine Schlüsselfunktion für die Künstler besaß. Kuroda beschrieb die Bedeutung des Ateliers, in dem sich die Mitglieder jeden Samstag trafen, so: »Yoshimura, der Künstler, und sein Haus befreiten diese jungen, begeisterungsfähigen und talen tierten Künstler aus ihrer täglichen Routine, und das Haus fungierte als Ort, wo sie sich als Elite der Avant garde begreifen lernten.«so Nach der letzten »Yomiuri Independant«-Aussteilung 1963 hörte die Beziehung zu diesem Ort auf zu existie ren, und die Werke wurden auf die Straße verlegt. Das Hi Red Center, das nun nicht mehr über den Freiraum der Ausstellung verfügte, wagte sich immer weiter in die Metropole Tokio vor: Die erste Aktion, Yamanote Line Event, war ein Happening, das auf der Ringlinie von Tokio stattfand und Themen wie Großstadt, Transport und Nahverkehr aufgriff. Weitere Happenings in den Stadtteilen Shinbashi, Shinjuku, Ueno und Ginza folgten. Während die Neo-Dadaism Organizers, die in bizarren Kostümen auf die Straße gingen, wie ein Teil der Aus stellung wirkten, verfolgte das Hi Red Center mit seinen Happenings auf der Straße eine konkrete Strategie. In ihrer Straßenputzaktion im Zentrum von Tokio und in den Happenings auf belebten Bahnhöfen fungierte der Ort als Element des Werks selbst. Nakanishi erinnert sich, daß er sich von einem bestimmten Ort zu einer Aktion inspi rieren ließ.®' Jedes Kapitel von Akasegawas detaillier ten Aufzeichnungen der Aktivitäten des Hi Red Center, den Tokio Mixer Plänen, bestand aus dem Namen eines Tokioter Viertels und dem des dort aufgeführten Hap- 50 Raiji Kuroda, »Akarui satsurikusha sono shunkan gei no jutsu« (wie Anm. 40), S. 9. 51 Telefonisches Inten/iew des Autors mit Natsuyuki Nakanishi v. 3. Juli 1997.