266 Valie Export, Tapp und Tastkino, 1968 Jahre später, hörte Fleming auf, unter seinem Pseudonym aufzutreten.® RodForce, eine Kreuzung zwischen Superman und Clown, war am Ende zu einem »Kerker meiner eigenen Erwartungen und der meines Publikums« geworden. »RodForce hat es nicht mehr gebracht«, räumt der Künstler spöttisch ein. Nachdem er die Person begraben hatte, ver spürte er eine »Freiheit, die es mir ermöglichte, ohne Erektion herumzulaufen«.™ Die radikale Hinterfragung der Geschlechterrollen, die Ende der sechziger Jahre begann, hat sich in der Entwicklung des Feminismus bis heute fortgesetzt. Anfangs mußte die Frauenbewegung darum kämpfen, »andere in der Neuen Unken (Frauen wie Männer) dazu zu bringen, die Unter drückung der Frau ernst zu nehmen'* und ihre Existenz quer durch die Epochen wie auch ihre grundlegende Bedeutung »als Prinzip sozialer Organisation« anzuerkennen.Da die Frauenbewegung eng mit der Neuen Linken verbunden war, reflektierte sie auch den Einfluß des Marxismus auf das kriti sche Denken; das bedeutete, daß Frauen ihre Unterdrückung dadurch zu erklären versuchten, daß sie sie durch und über die marxistischen Diskurse beschrieben und Betrachtungen über Reproduktion und über die Arbeit, die die Erziehung und Sorge um andere Menschen bedeutet, in die allgemeineren Theorien von Produktion und Arbeit miteinbezogen. Um 1970 hatten einige Feministinnen bereits begriffen, daß sie durch die Betonung der Ähnlichkeiten zwischen den Geschlechtern die Anliegen der Frauen besser vorantreiben konnten, während andere - Anhängerinnen des radikalen oder »gyno- zentrischen« Feminismus - immer noch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern herausstellten.'“ Innerhalb die ser beiden Richtungen der frühen Siebziger tauchten noch weitere Abspaltungen auf. Schwarze Feminisfinnen argumen tierten, daß allein der Begriff »Schwarze Feministin« die afro-amerikanische Frau ungeachtet ihrer Erfahrungen als sol che bereits klassifiziert, und wiesen darauf hin, daß eine Schwarze Feministin genausogut Frederiok Douglass oder William E. B. DuBois in Frauengestalt sein könnte. Diesen komplexen und heterogenen Debatten wurden reduk- tionistische Stempel aufgedrückt: Der Begriff »essentia- 99 1986 lud mich Fleming ein, an einer seiner Performances mit zuwirken. Ich sagte zu unter der Bedingung, daß er den Namen RodForce ablegen sollte, der mit den Performances, die wir zwischen Ende 1986 und Ende 1992 zusammen gemacht haben, nichts zu tun hatte. 100 Sherman Fleming (wie Anm. 93), S. 7. listisch« stand für die erste Generation von Feministinnen (die oft mit einem gynozentrischem Feminismus in Verbindung gebracht wurden), während die zweite Generation als »kon struktivistisch« oder »poststrukturalistisch« (stark von den psychoanalytischen Ansätzen Jacques Lacans und der Derri- daschen Dekonstruktion beeinflußt) bezeichnet wurde. Lacan und Derrida kritisierten jenen Subjektbegriff, der von »auto nomen, vorgeformten Konzeptionen des Subjekts und von Sprachtheorien [ausging], die Bedeutung in begrifflichen oder essentialistischen Formulierungen konstruierten«, als Aus wüchse einer »phallozentrischen« und »logozentrischen« Logik. Mira Schor hat zusammen mit den feministischen Künst lerinnen Cheri Gaulke und Suzanne Lacy und Kunst historikerinnen wie Moira Roth und Lucy Lippard, die allesamt besonders in der frühen Phase des Feminismus aktiv waren, die Ursprünge der feministischen Performance-Kunst in die ser Zeit dokumentiert. Roth stellt eine Verbindung zwischen feministischen Performances und feministischem Straßen theater her, wie es sich zum Beispiel in den Aktionen beim »Stören der Miss America-Feierlichkeiten in Atlantic City 1968« und bei »der Verschmutzung jungfräulicher Museums räume mit rohen Eiern und Damenbinden als Protest gegen den geringen Anteil an Künstlerinnen auf der Biennale des Whitney Museums in New York« 1970 zeigt.'® Ferner weist sie darauf hin, daß die Anfänge der Performance art an der amerikanischen Ostküste untrennbar mit Flappenings, expe rimentellem Tanz, experimenteller Musik, Minimal art und Konzeptkunst verwoben sind. Die West Coast-Performances hatten laut Schor ähnlich vielfältige Wurzeln, so das '»Improvisierte Theater« von Rachel Rosenthal, Ann Halprins und Pauline Oliveros experimentelle Musik und experimentel len Tanz, die prozeßorientierte, ökologische, minimalistische Arbeit von Barbara Smith und Bonnie Sherk sowie das »Feminist Art Program< in Fresno unter der Leitung von Judy Chicago. Die meisten amerikanischen Chronologien beginnen mit dem »»Consciousness-raising« (CR), das in vielen Zentren stattfand, so beispielsweise im Rahmen des Fresno Feminist Art Program (initiiert von Judy Chicago), des Feminist Art Program an der Cal Arts (1971, unter der Leitung von Chicago 101 Linda Nicholson (wie Anm. 76), S. 1-2. 102 Siehe Iris Young, »Humanism, Gynocentrism and Feminist Politics«, in: Hypatia: A Journal of Feminist Philosophy, 3, Sondernummer des Women’s Studies International Forum, 8, 3, 1985, S. 173-183. 103 Moira Roth, The Amazing Decade: Women and Performance Art in America 1970-1980, Los Angeles 1983, S. 16.