202 DIE FRAUENARBEIT. Mutter dabei thätig find, und fodann an die Kaufhäufer geliefert oder an Hau- firer veräufsert, welche damit in die Welt hinaus wandern. Unter den vielen Arbeiten, welche da prangten, und von denen manche von tadellofer Schönheit waren, fand fich eine grofse Zahl, die durch verfehlte Zeichnung, durch Ueberfülle des Dcffins, oder durch zu knappe Anordnung in Form und Schnitt, trotz aller ausgezeichneten Technik, keinen gewinnenden Ein druck machte. Die Anwendung naturaliftifcher Motive ift in den Arbeiten vor- herrfchend, der Blumen, Ranken, Blätter mit ihrem Gezwcige, des willkürlichen Gewimmels, das da, wo die Grazie dabei zur Geltung kommt, feinen unbeftimm- baren Reiz ftets behaupten wird. Leider fehlte aber hier nicht feiten die leichte, fchwungvolle Anlage; alle die Blumen, die Knospen, die Stengel und Blätter erfchienen als eine mit kunftfertiger Hand ausgeführte Maffe von Stichen, die zu einer Laft von einzelnen Gewinden zufammengefügt waren, und viel, fehr viel Stickerei auf einem möglichft kleinen Raum zufammengedrängt zeigten, und nichts weiter. Es gab hiervon glänzende Ausnahmen, namentlich waren einige Tafehentücher vorhanden, mit köftlichen, ornamentalen Bordüren. Hie und da waren zwifchen diefen Arbeiten, zwifchen den Kleidern, den Vorhängen, den Tüchern, die im glänzendften Weifs fchimmerten, einige Bunt- ftickereien zu finden, wenige mit der Hand, die meiften mit der Mafchine aus geführt, die in der Schweiz mit Macht daran arbeitet, für die Frauenhand einzu treten. Neben den höchft unfehönen Experimenten mannigfacher Art, von denen das abfcheulichfte ein Lehnftuhl mit einem buntgeftickten Straufse war, den die Mafchine mit trübfeliger Starrheit in den Stoff gewebt hatte, waren da grobe Tambourarbeiten auf Vorhängen und Draperien zu fehen, die mit der Mafchine ausgeführt, ganz vortrefflich ihren Zweck erfüllten, und kecke, grofse Zeichnun gen aufwiefen, die fich in voller Schönheit von dem durchfichtigen Untergründe abhoben. Haararbeiten, Imitationen von Lithographien waren neben der weltbekann ten weiblichen Induftriearbeit des Landes zu fehen. Die erfteren gehörten zu jener Gattung von halb überlebter Manipulation, von Flechtwerk, Kleben, Sticken, Knüpfen, von jener Arbeit, die fich an die Darftellung von allem Erdenk lichen und allem Sichtbaren wagt, von Blumen, Bäumen, Häufern, Denkmälern und Bildniffen aller Art, und die wir als eine verfchrobene Erfindung echt eu- ropäifcher Art leider noch überall, wo die Frauenarbeit fich in allen Nüancen ihrer Technik zeigt, mit in den Kauf nehmen müffen. Die Imitationen von Lithographien, welche wir hier von Marianna Bren- tani-Viglegio ausgeflellt fanden, gehörten zu den bellen Arbeiten diefer Art, die wir bedauerlicher Weife auf der Ausheilung in reichem Mafse vertreten fanden. Dilettantinnen und Firmen, Kunftftickerinnen, Klöfter, Schulen hatten diefe Arbeit repräfentirt, in welcher mit feiner Florfeide Strich um Strich die Zeichnung nachgeahmt wird, um mit namenlofer Mühe ein Bild zu fchaffen, das um ein Minimum des Koftenpreifes folcher Arbeit viel correcter, viel dauerhafter in jeder Bilder- oder Kunfthandlung zu erftehen ift. Die Lithographie-Imitation ift eine jener Arbeiten, durch welche die Frauen klar beweifen, wie gering viele von ihnen das höchfte Gut des denkenden Menfchen, die Zeit, anfchlagen, und