unbeschadet ihrer kritischen Freiheit verfochten hat, in Wien diesem Skandalbedürfnis geschmeichelt und die Interessen der Kunst und des Künstlers dem Pöbel der Straße und dem Pöbel des grünen Tisches preis gegeben wurden. Es kann dafür keine Rechtfertigung sein, daß der Baukünstler in seinen neuen Zinshäusern auf der Wienzeile in den ersten Jahren der Sezessionsbewegung dekorative Fassadenmalereien versucht hat, die einer sachlichen Kritik auf die Dauer nicht standzuhalten vermochten. In derselben Zeit sind in Deutschland gewagtere Probleme versucht worden, ohne daß die maßgebende Öffentlichkeit den guten Kern der neuen, eben erst noch tastenden Versuche verkannt, oder gar einen Skan dal provoziert hätte. Aber in Wien war die Kunst alsbald die Nebensache und der Skandal die Hauptsache. An allen Ecken und Enden tauchten persönliche Feinde Gegner und Neider Otto Wagners auf. Daß hinter all den dekorativen und modischen Äußerlichkeiten derselbe Wagner steckte, der die Stadtbahn und so vieles andere Ausgezeichnete gebaut hatte, derselbe beispiellose Könner und Künstler, war mit einem Male vergessen. Ein unentwirrbares Netz von Lüge, Bosheit und Entstellung wurde gegen ihn gewoben, um die öffentliche Meinung gegen ihn zu kaptivieren. In diesem schönen Wirken tat sich insbesondere der Kreis seiner ehe maligen Freunde und Kollegen hervor, die bei der reichsdeutschen Are i- tektenschaft mit Hilfe falscher Informationen abträgliche Gutachten gegen Otto Wagner einholten. Die k. k. Zentralkommission zur Erhaltung a ter Baudenkmäler in Wien, die in allen notwendigen Erhaltungen in der Rege zu spät auf den Plan trat und in allen praktischen Kunstfragen, sei es der Erhaltung oder der Neugestaltung, gegen Wagner künstlerisch immer un recht hatte, wie es die von ihr verlangte und von Wagner verhütete Um restaurierung des Stephanstores u. v. a. beweist, hat in der intrigantesten Weise gegen den Künstler gearbeitet und hat es verstanden, die Meinung der Machthaber des Hofes und Staates ungünstig gegen ihn z Bussen. Sie hat es nicht verschmäht, beim Straßenpöbel Unterschriften gegen ihn zu sammeln. 39