Wenn ich die Geschichte unserer Stadt' und ihrer Wandlungen an dem Baubild zeigen soll, so kann ich an drei Denkmälern den Inbegriff der ge waltigsten Mächte, die das Werden bestimmten, aufweisen: den Stephans dom, die barocke Dreifaltigkeitssäule am Graben und die Postsparkassa. Leider haben wir nicht sehr viel verwirklichte Schöpfungen in unserer Stadt, aber wenn wir nichts hätten als dieses eine Werk, so würde es rest los für ihn zeugen und für die innere Struktur unserer Zeit, die er so groß artig symbolisch zum Ausdruck gebracht hat, nicht nur in dem, was es positiv enthält, sondern auch in den scheinbaren Fehlern, in dem Unbild haften, Abstraktwirkenden, Intellektuellgeschöpften. ★ ★ * Die Kirche am Steinhof ist ein anderes Beispiel dieser Art. Ein Gegenpol zu dem Geist der Vergangenheit, der sich im religiösen Leben Wiens am mächtigsten in der Stephanskirche offenbart. Nichts weniger will Otto Wagner als „eine Kirche für Menschen von heute“ bauen. „Unsere archäologischen Baukünstler können das nicht“, sagt er nicht mit Unrecht. Als praktischer Idealist geht er von der richtigen Anschauung aus, daß unsere jetzigen Kirchen so vergangen und unzeitgemäß aussehen, daß man sofort auf eine Menge Zivilisiertes verzichten und sich gleichsam plötzlich die heutige Lebensweise abgewöhnen muß, wenn man eintritt, dagegen würde es der Andacht nur förderlich sein, wenn auch im Gottes haus unsere gewohnten Lebensbedingungen erfüllt werden, was aber nur die moderne Kirche kann. In seiner Synagoge für Budapest, in seinem Kirchenbau für Essegg, in seinem Konkurrenzprojekt für den Berliner Dom, die insgesamt den früheren Jahrzehnten angehören, hat er sich bereits mit den Grundfragen des modernen Kirchenbaues auseinandergesetzt. Daraus zieht der Rationalist jetzt die praktischen Schlußfolgerungen. Die akustischen und optischen Forderungen in bezug auf Altar und Kanzel, beziehungsweise der allseitigen Sichtbarkeit, die Möglichkeit der Ventilierung und Beheizung, die genügende Belichtung, lauter pro- 75