Seitenweg, weil wir uns bis jetzt diesem Brausen und Dröhnen der anderen Rich tung in keiner Weise entziehen konnten. Es wäre auch schließlich möglich, daß einer unserer Primitivisten — die sehr zu trennen sind von den Primitiven selbst — in einigen Details zu ähnlichen Lösungen käme. Aber er wird — auch Gauguin oder Rousseau — kein innerlich Primitiver sein können; er wird niemals die gleiche Unberührtheit in sich erhalten können und damit niemals jener Ursprünglichkeit zugerechnet werden können, die in dieser Malerei die erste Vor aussetzung bildet. Für jene ist der Zug zum Primitiven ebenso Problem oder Kata strophe wie andere Wege für ihre Freunde und Schüler es waren. Die Gesamtlebens situation dieser amerikanischen Welt aber, der diese Malerei entstammt, ist für uns Europäer unwiederholbar. Wenn auch der Zusammenhang zwischen Amerika und Europa kulturell und zivilisatorisch nie ab gerissen ist, so sind doch die Lebens- und Kulturbedingungen völlig andere, die aber mit eine wichtige Grundlage der kulturel len und künstlerischen Äußerungen sind. Wenn wir hier „primitiv“ sagen, so denken wir wohl an alles, was mit dem „Anfang“ im Zusammenhang steht, und an Vorstel lungen langer Entwicklungen, die etwa zum Differenzierten und Raffinierten als End punkt führen. Es ergeben sich daraus Asso ziationen zu der Urzeit, den Naturvölkern und den Kindern, Assoziationen, die zum Teil zu Recht bestehen, aber nur zum Teil. Wir dürfen nie in den Fehler verfallen, das Primitive in der Kunst mit dem kindlich unfertigen Ausdruck gleichzusetzen, denn das Primitive ist doch ganz erwachsen und fertig; niemals dürfen wir das Werk eines Angehörigen der zivilisierten Welt, auch wenn er aus deren äußersten Randgebieten stammt, mit der Kunst der Naturvölker gleichsetzen; oder auch nicht denken, wir könnten durch geistige Einfalt in den Zu stand vor vielen Jahrtausenden zurück kehren. Eines aber bleibt allen diesen ge meinsam: das ist der Wille nach unbeein flußtem und unvoreingenommenem Bild ausdruck. Diese Sammlung zeigt, daß das in Amerika vorhanden ist, und zwar in breiter Fülle, daß es dort diese Unberührt heit und Einfalt gibt, und zwar nicht als Seitenweg. So ist es für uns eine Freude und Bereicherung, wenn wir durch so eine zu uns herübergesandte Sammlung neben vielen anderen Besonderheiten Amerikas diese nun hier kennenlernen können, damit sie mit ihrem Geist auch bei uns ihre Wir kung hinterläßt. DDr. Gerhart Egger 7