Sammelpunkt des Widerstandes gegen Frankreich gewesen. In Wien hatte sich ein Jahrzehnt hindurch Alles Stelldichein gegeben, was die Revolution und Napoleon hasste, was von einer gemein samen Erhebung aller Fürsten und Völker Europas gegen den ge meinsamen Unterdrücker zuerst nur träumte und schwärmte, dann sie predigte und forderte. In Wien hatten sich die ent thronten deutschen Fürsten, die verjagten Prälaten und Reichs ritter versammelt, um hier, zu Füssen des Kaiserthrons, Schutz und Hilfe zu finden; hieher waren alle die gekommen, die ein Machtwort des Despoten aus ihrem Vaterlande verbannt hatte. Hier waren die Fäden der geheimen, vielgeschäftigen anti-napo- leonischen Liga zusammengelaufen, die in den Jahren 1810undl811 ihr Gewebe von England bis nach Sicilien breitete. Und zuletzt, in der grossen Krisis, die zur Befreiung führte, hatte die Wiener Hofburg den Ausschlag in die schwankende Wage gelegt. Von dem Augenblicke an, da sich Oesterreichs Heere mit denen Russ lands und Preussens vereinigten, war auch das physische Ueber- gewicht auf Seite der Gegner Napoleon’s. Und endlich besass Kaiser Franz das höchste persönliche Ansehen in Europa. Obwohl noch in der Vollkraft männlicher Jahre, stand er doch wie ein Patriarch unter den Fürsten, denn er hatte als der Letzte die Krone des heiligen römischen Reiches getragen; in ihm schienen alle guten Traditionen der alten Zeit personificirt. Ungeheuer waren die Erwartungen, die Deutschland auf den Gongress setzte. Die „teutsche Rathsversammlung“, der „teutsche Congress“ — so wurde er dort genannt. Viele erhofften von ihm die Wiederherstellung des alten Reiches und der alten Kaiser würde, fast Alle eine festere Einheitsform, die der Nation für die Zukunft eine Bürgschaft äusserer Sicherheit und inneren Gedeihens gewesen wäre; Einige meinten auch, es müssten zu Wien gewisse Grund- und Freiheitsrechte des deutschen Volkes verbrieft und besiegelt werden. Im Prophetentone sprachen Manche von einer Umgestaltung aller Dinge, vom Anbruche einer neuen goldenen Zeit, Dichter stimmten ihre Leyer auf die gewaltigsten Accorde. „Waltende Hüter des Seins und Werdens“, so apostrophirt Graf Friedrich Leopold Stolberg die Congressmitglieder — „wann“, fragt er, „wann dröhnten jemals so auf des Rathes Tisch, verhängniss- schwanger, die Schicksalswürfel?“ Und er ruft der Versammlung die frömmsten Segenswünsche zu: