— 19 — Bedürfnisse der Gesellschaft zu decken. Aber die Engländer selbst treten erst im 17. Jahrhunderte auf den Plan, anders als Andere, von neuem Geiste erfüllt, mit neuen künstlerischen Absichten, charakteristisch, eigenartig, kraftvoll, künftiger Entwicklung die Richtung weisend. Hogarth, Gainsborough, Reynolds erscheinen gegenüber den Künstlern des Continents wie Sendboten aus einer anderen Welt. Sie sind die Vorläufer der sich vorbereitenden Re volution, aber conservative Revolutionäre, wenn dieser Ausdruck gestattet ist, denn sie nehmen in der Vergangenheit abgerissene Fäden wieder auf und spinnen sie fort und verknüpfen sie in einer durch nationale und zeitgeschichtliche Verhältnisse bedingten Weise. Wie in den Köpfen der Literaten von Pope bis Shaftes- bury und wie vor Allem bei dem Künstler-Philosophen Reynolds, kämpfen und klären sich in denen der Künstler die Gegensätze von Antike und Natur, Idealismus und Realismus, welche schon die Hochrenaissance aufgewiesen hatte, und schaffen eine Coalition im Charakteristischen. Auf dem Continente vollzieht sich die Wendung zunächst fast ausschliesslich auf dem literarischen Gebiete; zumal in * Deutschland sind es Gelehrte und Pädagogen, welche in die Be wegung eingreifen. Dass Kunst und Leben ungesund sei, empfinden Alle. Ob aber die Rückkehr zur Natur oder zu den Idealen des classischen Alterthums die heiss ersehnte Rettung bringen könne, darüber gehen vorerst die Meinungen auseinander. Freilich der Führer der Berliner Bildhauer des 18. Jahrhunderts, Tassaert, Schadow’s Lehrer, meint, es gäbe nur acht bis neun Antiken, die gut und musterhaft wären, und auch diesen fehle die Anrnuth. Aber Algarotti. der Freund Friedrich’s II. und August’s III., empfiehlt die Erneuerung der Kunst durch Rückkehr zur Antike, dem „Muster und Spiegel der Schönheit“; Diderot entscheidet sich für Natur und Antike und verkündet als Erster die goldene Lehre, dass man die Antike studiren muss, um die Natur sehen zu lernen; Hagedorn und Heinse treten für das Studium der Natur und die Pflege des Volkstümlichen ein. Winckelmann vertieft die Bewegung und reisst alle gebildeten Deutschen mit sich fort. Der Oesterreicher Adam Friedrich Oeser, später auch Goethe’s Lehrer, hatte ihn gelehrt, in den Werken der Alten edle Einfalt und stille Grösse zu verehren, die Winckelmann dann 1755 in den „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der 2’