— 25 — als Medium für die Erkenntniss der Natur. Er ist Realist im besten Sinne, der Ausdruck der Seele in ihrem Spiegel, dem Antlitz, reizt ihn am meisten, und so pflegt er denn auch weniger das Studium der griechischen Idealbilder, als das der römischen Por trätkunst. Sein „Ziethen“ und „Leopold von Dessau“ in Berlin (1800), sein „Luther“ in Wittenberg (1821) sind bleibende Mark steine in der Entwicklung der deutschen Kunst. Christian Rauch aber bezeichnet ihren Höhepunkt für die Plastik unserer Epoche. Sein Stil ist eine Rückbildung des Schadow’schen Realismus zu mehr idealistischen Formen, die aber immer warmes Leben athmen; es ist, wie angedeutet, stilvoller Realismus, der stets und immer das höchste Ziel der Kunst bleiben wird. Sein „Scharnhorst“ und „Bülow“ in Berlin (1815—1822), sein „Blücher“ in Breslau (1820), sein Goethe, vor Allem aber das Marmorbild der Königin Louise im Mausoleum zu Charlottenburg (1814), sind unübertreffliche Werke, um welche die Deutschen von aller Welt zu beneiden sind. Erst mit dem Bildnisse der Königin Louise war der formalistische Glassicismus überwunden und die lang gesuchte Wahrheit erkannt, dass für unsere moderne Kunst die Antike nicht als Vorbild zu scla- vischer Nachahmung, sondern nur als Schule gelten kann, in der vielgestaltigen Natur, und nur in ihr, das Material 2tu künst lerischer Werthung in charakteristischen Formen zu suchen. Mit diesem Werke hat Rauch die antike Plastik aus der ängstlichen Nachahmung der Antike wieder auf nationalen Boden zurück geführt und den Bann des Missverständnisses gebrochen, der auf der Plastik der Zeit bis dahin lastete. Unsere moderne Plastik in ihren besten Schöpfungen ruht auf Rauch, den nach seinem vollen Werthe zu würdigen, die Gegenwart fast verlernt hat. Nicht überall ebenso erfreulich, aber immerhin nicht bedeu tungslos vollzieht sich die künstlerische Reaction auf dem Gebiete der Architektur. In Wien bemächtigt sich der Akademie auch auf diesem Gebiete die Vorliebe für die classische Antike. Aber nicht die römischen Säulenordnungen sind es, die man für’s Erste zum Muster nimmt, sondern die griechischen, und so puritanisch ist man gesinnt, dass man nicht den reichen korinthischen, nicht einmal den weniger reichen, aber schlanken, heiteren jonischen Stil, sondern den schweren, strengen, ernsten dorischen wählt. Die Füh rung übernimmt der in Rom gebildete Schweizer Peter von Nobile, welcher in den ersten Jahren unseres Jahrhunderts nach Wien