32 Aber schon in den Zwanziger Jahren beginnt jenes Anschwellen und Aufblähen, welches um die Mitte des Jahrhunderts wieder zum Reifrocke führt, den die französische Revolution völlig ver nichtet zu haben wähnte. Noch im Rahmen der unserer Betrachtung unterliegenden Periode vollzieht sich ein neuer Umschwung, in der Literatur längst vorbereitet, nun auch in der bildenden Kunst: die Romantik. Sie entwickelt sich schon vor dem Sturze Napoleons, ja auä den patriotischen Empfindungen, welche seine Schreckensherrschaft und die Leiden und Kränkungen, die er verbreitet, erwecken. Aber ihr Entstehen hat noch andere tiefere Gründe. Die antikisirende Richtung, zu wenig Renaissance, nicht volksthümlich, gelehrt, ohne nationale Färbung, befriedigt wohl den Historiker, der den Ursprung der modernen Bildung im classischen Alterthum sucht und findet, nicht aber die Masse des Volkes, welche nur dann ein Verhältniss zur Kunst gewinnt, wenn diese nicht blos den Verstand, sondern auch das Gemüth anspricht. Und mehr noch. Die Hinwendung zur Antike war eine Frucht der Aufklärungs-Epoche, welche alle religiösen Empfindungen des Volkes untergraben und verspottet und an die Stelle der Liebe zum eigenen Volke das Weltbürger thum gesetzt hatte. Religiöse und nationale Empfindungen lassen sich auf die Dauer nicht vernachlässigen; für eine Weile nieder gehalten, brechen sie mit elementarer Kraft aufs neue hervor und verlangen ihr Recht. Man hat die Romantik Reaction ge scholten, wie jede Bewegung, welche die Dinge auf das richtige Mass zurückführen will; sie ist vielmehr ein Protest im Namen des Volksthums und der Religiosität, im Namen des warmen Ge- müthes gegen den kalten, zersetzenden, Alles besser wissenden Verstand. Diese Romantik in der Literatur begründen Tieck und Wackenroder, von denen besonders der Letztere tiefe Einsichten in das Wesen der bildenden Künste gewinnt. Ihnen schliessen sich der unglückliche Hölderlin und Hardenberg-Novalis an. Schon zu Beginn des Jahrhunderts haben sich diese und andere Einzelne zu einer Schule vereinigt, welcher alle jüngeren Talente Zuströmen, unter ihnen Uhland, aber auch Gelehrte, wie die Gebrüder Grimm. Die Gebrüder Schlegel übernehmen die Führung. Die Bannstrahlen des später versöhnlicheren Goethe bleiben wirkungslos. Gegen die Autorität Winckelmanns wird jene Herders in die Schranken gerufen, der den Zeitgenossen überraschende Einblicke in das