33 Wesen der Volksliteraturen erschlossen und mit Humboldt die Wissenschaft der Nationalität begründet hatte. Der Classicismus hatte mit Verachtung über das Mittelalter hinweggesehen, als eine Nacht ohne Licht. Nun wird diese Nacht als sternenhell gepriesen, und Alle wollen sich an ihrer Frische und ihrem würzigen Dufte erfreuen. Die deutschen Volksepen und Minnelieder werden studirt und erneuert, die Mundarten gepflegt, Ritterthum und Frauencultus ei scheinen in farbenkräftigen Bildern, die Grösse der Vorzeit wird angesichts der Erniedrigung in der Gegenwart gepriesen und be sungen, die Phantasie erwacht, der Katholicismus gewinnt die Ge- müther auf’s neue, an die Stelle des Olymp tritt wieder der Himmel. Auf diesem Boden erwächst die neue Richtung der bildenden Kunst, welche den Classicismus überwindet. An den Wortführern in der Literatur, wie Friedrich Schlegel, lag es freilich nicht, dass eine neue kräftige Kunst .erblühte; er wollte nur die mittel alterlichen Vorbilder gelten lassen; Raphael, Tizian, Correggio und selbstredend Michelangelo waren für ihn Verderber der Kunst, und während die Mengs’schen Akademiker Künstler auf pädagogischem Wege glaubten züchten zu können, meinten die Schlegelianer, dass man nichts zu lernen brauche und Empfindung und Be geisterung schon Alles besorge. Aber die Künstler waren ein sichtiger als ihre Berather und Freunde. Der Architektur will man die Antike überlassen, aber in der Malerei vor Allem soll das Quattrocento und die altdeutsche Schule erneuert werden. Wieder geht Dresden voran; Runge, Hartmann, Friedrich und Gerhard von Kügelgen wenden sich hier an der Ursprungsstätte des deutschen Classicismus zuerst von ihm ab. Der Sitz der Bewegung aber wird bald verändert, und ein Grösserer übernimmt die Führung: Fried lich Overbeck. Siebzehnjährig, kommt er im Jahre 1806 nach Wien der Romantiker unter die Classicisten. Mit Widerstreben beugt er sich durch vier .Jahre dem Absolutismus Fügers, aber endlich bäumt er sich auf und kündet der Wiener Schule die Heerfolge; mit Pfann, Wintergerst, Vogel und Sutter wird er von der Akademie relegirt. Ihnen schliessen sich Hottinger und Scheffer von Leonharts, hoff an, und als. geschlossene Partei mit eigenen Zielen wenden sie sich nach Rom, wo freiere Luft weht. Aber nicht das classische Rom suchen sie, sondern das * christliche. Sie siedeln sich im Kloster S. Isidorö an, und diese Klosterbrüder oder Nazarener, wie man sie nennt, revolutioniren die gesammte Malerei. Ihnen 3