KUNSTSCHAU - RUCKSCHAU im mai 1927 sind es, glaube ich, gerade dreissig jahre, dass sich in einer stürmischen sitzung der ,,genossenschaft bildender künstler“ eine kraftwelle loslöste, die zur ,,sezession“ und zehn jahre später zur „kunstschau“ wurde, es gab damals im künstlerhaus einen um die wahrheitsquellen der kunst mit leidenschaftlicher begeisterung geführten kampf, den in der Öffentlichkeit hermann bahr, der „geni ale an- und aufreger“ jener epoche, durch das klarmachen der funda- mente der beiden einander gegenüberstehenden ideenlager unter stützte. er betonte immer wieder, daß es keineswegs eine fehde zwischen alter und neuer kunst, sondern zwischen Schöpfer- und fabrikantentum sei. der streit endete mit dem sieg der künstler über die „hausierer“. die „Vereinigung bildender künstler Österreichs“ zog aus, überzeugungsstark und zielsicher, hielt in der damaligen garten- baugesellschaft am parkring ein kurzes, dunkelheiten geistiger schlaf- kammern zersprengendes interregnum und dokumentierte ihre kraft im november 1898 durch die eröffnung ihres eigenen, von josef olbrich erbauten gebäudes, der sezession. glänzende taten wurden vollführt, neue kräfte leuchteten auf, man holte bestärkung von draussen, entzündete sich immer mehr zu höherer ieistung. und rainer maria rilke schrieb im ver sacrum: „kein sichbeherrschen und -beschränken um bestimmter zwecke willen, sondern ein sorgloses sich loslassen, im vertrauen auf ein sicheres ziel, keine Vorsicht, sondern eine weise blindheit, die ohne furcht einem geliebten führer folgt, kein erwerben eines stillen, langsam wach senden besitzes, sondern ein fortwährendes vergeuden aller wandel baren werte“. die zeitkunst, wie man sie damals nannte, blühte wirklich wie ein frühlingsbote. aber die freude derer, für die diese geschenke bestimmt waren, denen sie dargeboten wurden, war nicht sehr gross, es zeigten sich deutlich die züge wienerischen geniessertums: das vergnügen an konservativer ruhe, die hüpfende neugier auf über raschende neuheiten und der im innersten wohlgepflegte Wunsch, seine befriedigung durch ein gelingen des versprochenen nicht ver lieren zu müssen, diese zuletzt genannte eigenschaft bewirkte es auch, dass man sich gegen die sezession entschied, denn nur so konnte diese angelegenheit eine vergnügliche werden . .. nach ungefähr zehn jahren arbeit entstand wiederum ein kampf.