8 Lebenswerkes anderer Künstler können wir nur vermuten, dodi beträgt er bei fruchtbaren Meistern, wie Utamaro oder Toyokuni, sicher viele Hunderte von Einzelblättern, wozu fast immer auch noch Illustrierte Bücher kommen. Die Zahl der Holzschnitte des Hokusai schätzt man gegen zehntausend, von Hiroshige verzeichnet ein japa nisches Werk über siebentausend Blätter. Der japanische Holzschnitt der Ukiyoe-Schule beginnt im 17. Jahr hundert mit reinen Schwarzweißblättern, erst um 1740 geht man zum Farbdruck: über, wobei man sich in der Hauptsache auf den Zweiklang Rosa-Grün beschränkt, und erst 1764 erschienen in Edo — in Osaka gab es schon 1745 Versuche dazu — die ersten Viel farbendrucke. Man hat früher die Entwicklung des Farbholzschnittes allzusehr unter diesem Gesichtspunkt gesehen und sie als ein allmäh liches Erringen drucktechnischer Möglichkeiten dargestellt. Aber es wäre doch verwunderlich, wenn sich die Japaner, die sich so viele chinesische Erfindungen auf künstlerischem Gebiete mühelos ange eignet und sogleich zu selbständiger Entfaltung gebracht hatten, gerade den Farbholzschnitt, dessen chinesische Meisterleistungen ihnen bekannt waren, so mühsam in fast hundertjährigem Ringen er kämpfen hätten müssen. Wenn auch eine allmähliche Entwicklung der Technik dieser Kunst nicht von der Hand zu weisen ist, so sind doch für das langsame Tempo andere Gründe maßgebend gewesen. Der Holzschnitt war für ein breites, anfangs noch nicht allzu kauf kräftiges Publikum bestimmt, der Vielfarbendrudc aber war natürlich weit kostspieliger als der Schwarzweißdruck oder der Zweifarben druck. Erst als mit der zunehmenden Erholung der Wirtschaft, mit dem wachsenden Wohlstand des Einzelnen der Umsatz der Bücher und Einzelblätter und die Ansprüche der Käufer an die Ausstattung stiegen, waren die Bedingungen für einen gewinnbringenden Vertrieb von Vielfarbendrucken gegeben. Dazu kam aber sicher noch ein zweiter Umstand. Sowohl der Schwarzweiß- wie der Zweifarben druck waren künstlerische Neuerungen von hohem Reiz und boten genug Spielraum zur Entfaltung individueller Leistungen, zur Ab wandlung ihrer formalen Erscheinung. Es erscheint durchaus begreif lich, daß ein ästhetiscJi so hochbegabtes Volk wie die Japaner, das dazu noch überaus traditionsliebend ist, der einzelnen Entwicklungs phasen des Holzschnittes nicht so bald überdrüssig wurde, so daß auch von dieser Seite her kein Zwang zu überstürzten Neuerungen auf die Verleger und Künstler äusgeübt wurde und jede neu gewon nene Stufe der Entwicklung zunächst in allen ihren Möglichkeiten ausgekostet wurde. Nach der Einführung — so wird man statt Er findung wohl besser sagen — des Vielfarbendruckes wird das Tempo der Entwicklung allerdings fühlbar rascher, wenn es nun auch nicht mehr sosehr technische als künstlerische Neuerungen sind, die aufein- anderfolgen, um im 19. Jahrhundert, besonders gegen seine Mitte, fast hektisch zu werden, bis der Holzschnitt um und nach dieser Zeit an Sensationsgier, parvenühafter Überladenheit und Massenproduktion künstlerisch zugrunde geht.