6 Meinung der damals Maßgebenden etwas Unerhörtes und V erciammenswürdiges war. Die zweite Hälfte des Jahrhunderts brachte die Ent- wieklung Wiens, das seit der klassizistischen Periode das absonue Zentrum unserer künstlerischen Entwicklung ge worden war, zur Weltstadt. 1857 fielen die Basteien, Prunk und Reichtum nahmen zu. Die Architektur trat wieder stark hervor. Die Künstler haben wohl frühere Stilepochen als Vorbihl benutzt, hauptsächlich die Architekten und Kunst gewerbler, zum l'eil auch die Maler Makart und Canon, aber die Kunstwerke sind doch keineswegs Nachahmungen, sondern zum Original erhoben. Ein Blick auf die Ringstraße genügt, um dies zu bekrältigen. Niemals könnte sie sonst, wo fast jedes einzelne große Bauwerk mit einer anderen Periode in Verbindung steht, einen so einheitlichen, wiene rischen, von der ganzen Welt stets anerkannten, bedeutenden Eindruck machen. Als Maler galt Makart als der bedeu tendste, dessen großformatige Bilder teilweise die Aus- stellungsrunde durch Europa machten. Er war der künstle rische Vertreter des Prunkwillens jener Zeit, der berühmte Arrangeur des historischen Festzuges der silbernen Hochzeit des Kaiserpaares, ein wichtiger Mann der damaligen großen Gesellschaft. Daneben aber gab es noch andere Künstler, die der allgemeinen europäischen Entwicklung viel näher standen: Petteukofen, der von Paris aus stark beeinflußt war, Jakob Emil Schindler, der die Landschaftskunst Wald müllers weiterentwickelte u. a. Einen Namen müßte man noch nennen: Rudolf Alt, der ein biblisches Lebensalter er reichte (1812—1905) und zu jenen seltenen und begnadeten Naturen gehörte, die bis in ihre späteste Zeit sich stetig weitcrent wickeln. Am Ende des XIX. Jahrhunderts begann auch in Wien, wie fast in ganz Europa, die Abwendung vom Realismus des vergangenen Jahrhunderts, das unter dem Einfluß Frank reichs die neue Entwicklung in verschiedener Heftigkeit mit machte. 1897 wurde die Sezession gegründet, in der sich die modern fühlende Künstlerschaft aus der bis dahin allein herrschenden Künstlergenossenschaft absonderte. In unserer Ausstellung ist nnr die erste Epoche der nun beginnenden neuen Zeit dargestellt, die mit dem Hinscheiden ihrer Haupt vertreter Klimt, Schiele, Faistauer und Egger-Lienz endet, da die lebenden Künstler, die freilich bereits damals eine be-