5i XI. Stickerei und Posamentirarbeit. (Reform der Stickerei. — Giani und die Schwestern vom armen Kinde Jesu in Döbling_ — Uffenheimer in Innsbruck. — Wagner in Kommotau. — Applicirte Stickerei. — Fräulein Mirani und ihre Schülerinnen. — Weiss- und Spitzenstickerei. — Goldstickerei. — S. Kuh in Prag. — Posamentirarbeiten: Drächsler. Blazincic.) Die Stickerei hatte im 19. Jahrhundert aufgehört eine Kunst zu sein, sie, die in früheren Jahrhunderten mit der Malerei gewetteifert hatte. Sie war gesunken für den weltlichen Gebrauch wie für die Kirche, sie war gesunken in ihren technischen Verfahrungsweisen wie in ihrem ästhe tischen Werthe, sie war gesunken in der Dilettantenhand des Hauses, wie in der gewerbsmässigen Hand der Ateliers. Dass sie heute wieder eine ICunst geworden ist, verdanken wir in erster Linie kunstverständigen katholischen Geistlichen, die, von der Entartung der Stickerei im Dienste der Kirche und des Cultus durchdrungen, sie wieder auf eine höhere und würdige Stufe erheben wollten. Die Bewegung für diese Reform der Stickerei begann am Rhein in Köln und Aachen, in welcher letzteren Stadt das Mutterhaus der Schwe stern vom armen Kinde Jesu die eigentliche Kunstanstalt für Stickerei in dieser Richtung wurde. Sie stand in Verbindung mit der allgemeinen Kunstbewegung für das Mittelalter, seine Architektur und ganz besonders auch seine Kleinkunst, die noch heute in der kirchlichen Kunst die vor herrschende Richtung ist und auch nach der weltlichen Seite hin äusserst anregend gewirkt hat, wenn man auch formell darüber hinausgegangen ist. Diesen Ursprung lässt die heutige kirchliche Stickerei, wie sie uns auf den Cultgewändern der Geistlichen, im Behang des Altares und auf Stoffen zu verwandtem Gebrauche entgegentritt, nicht verkennen. Die technischen Weisen, die Stylisirung der Ornamente wie der Figuren sind den mittelalterlichen Vorbildern der Stickerei entlehnt, namentlich jenen des i5. Jahrhunderts, welches in der burgundischen Stickerschule die höchsten Leistungen hervorbrachte. Bei uns in Oesterreich war Carl Giani der erste, der in seiner Fabrik kirchlicher Stoffe und Gewänder die neue Art mit Entschiedenheit adoptirte. Wie seine reiche Exposition zeigt, ist er ihr unverändert treu geblieben. Alsbald gesellte sich seinen Bestrebungen stützend zur Seite das erst in Wien, jetzt in Döbling befindliche Kloster der Schwestern vom armen Kinde Jesu, eine Filiale des bereits erwähnten Aachener Klo sters, und wurde wie sein Mutterhaus eine Stätte dieses Kunstzweiges. Die prachtvollen geistlichen Gewänder für die Votivkirche in Wien, welche das Döblinger Kloster ausgestellt hat, zeigen, bis zu welcher hohen Kunst, bis zu welcher Vollendung diese Künstlerinnen es bereits gebracht haben. Längere Zeit standen Giani und die Döblinger Schwestern in dieser heuen Richtung allein. Die Ausstellung im Museum zeigt, dass auch die 4*