5 4 mittelalterlichen Stickerei zurückkehren und die Goldstickerei z. B. auf den burgundischen Gewändern in der kaiserlichen Sammlung oder auf den älteren, sarazenischen Arbeiten studiren. Auch die heutigen Stickereien der Indier und Chinesen liefern materiell wie technisch uns vortreffliche Beispiele zum Studium. Wir verbinden hier mit der Besprechung der Stickerei die Posa- mentirarbeit, denn auch diese tritt als eine vollendende, abschlies sende und fertigmachende Kunst zur Weberei hinzu. Die Posamentirkunst und Bortenwirkerei sind entstanden aus der künstlerischen Verwerthung und Verarbeitung der Fädenenden des Gewebes. Ihre einfache künst lerische Grundlage ist Flechtung, Schnürung und Knotung. Indem man Knoten und Verschlingung reicher und künstlerischer zu gestalten trachtete, ist man zu diesem Kunstzweige gelangt, dessen heutige Ausbildung allerdings so willkürlich geworden ist, dass sie selten auf die Grundlage zurückweist. Nur das Ziel ist immer dasselbe, dem Gewebe durch um fassende Borte und Behang den letzten künstlerischen Abschluss zu geben. Die moderne Gestaltung in ihrer reichen und mannigfaltigen Weise lernen wir ganz vortrefflich aus der gewählten Ausstellung von Drächs- ler kennen. Diese Ausstellung zeigt aber auch, wie die Posamentirarbeit noch ganz unter dem Einfluss des französischen Geschmacks und der französischen Willkür steht und die künstlerische Reform, welche heute erstrebt wird, noch so gut wie gar nicht an sie herangetreten ist. Es ist ganz interessant, diese Borten, Schnüre, Gehänge, Quasten und Verkno tungen zu analysiren und man entdeckt dabei zu seiner Ueberraschung, wie architektonische, gereihte Gesimsornamente in Schnüren nachgebildet sind, wieviel zuweilen ohne Wirkung gekünstelt wird und wie anderer seits oft das einfachste Motiv die allerreizendste Wirkung erzielt. Nach französischem Muster, gewiss völlig ungerechtfertigt, sieht man selbst wirkliche Cameen, anderswo wieder Stickerei mit kleinlichen Blümchen mitten in einer reich gestalteten Quaste. Dass diese Art Arbeit eine reiche und zugleich künstlerische Ausbildung zulässt, erkennt man an den Ge hängen, dem Besatz und den Schnüren des Boudoirs von Phil. Haas & Söhnen, welche ebenfalls aus der Anstalt von Drächsler hervorge gangen sind. Für eine Reform auf diesem Gebiete der Industrie sind die Muster leider selten. Aus dem Mittelalter sind uns zwar mancherlei gewirkte Borten für kirchliche Gewandung erhalten, aber alles, was Fransen ähn lich sieht, ist aus jener Zeit so gut wie gar nicht vorhanden. Auch aus der Renaissance ist uns wenig geblieben und dies Wenige für Sammlungen unbeachtet gelassen. Mit Fleiss und Eifer Hesse sich jedoch wohl noch manches Brauchbare Zusammentragen. Einiges besitzt bereits das öster reichische Museum. Es fliesst uns aber noch eine andere Quelle, und das sind die Volkstrachten und überhaupt die Arbeiten der nationalen Haus industrie. Ich erinnere hier beispielsweise an den effectvollen Behang und