io5 Ursachen dieses Zurückbleibens dürften wohl in mehreren Verhältnissen zu suchen sein. In erster Linie dürften die Schwierigkeiten und Unvoll kommenheiten, welche bei jedem neuen Verfahren hervortreten, manche Experimentatoren abschrecken; in zweiter Linie sind die tüchtigeren Photographen, welche vermöge ihrer gesicherten pecuniären Lage sowie ihrer technischen Kenntnisse befähigt wären, das Studium der neueren Methoden mit Erfolg zu betreiben, in der Regel mit Aufträgen so über häuft, dass ihnen hiezu weder Zeit noch Müsse bleibt. Auch ist jener Kreis von Männern, welche in Wien vor mehreren Decennien, wie ein Berres, ein Natterer, ein Waidei e, und andere als Dilettanten wesentlich zur Ausbildung der Photographie beitrugen, welche die damals noch junge Kunst durch rückhaltslose Mittheilung ihrer Erfahrungen wesentlich förderten, auf ein kleines Häuflein zusammenge schmolzen, und erfordert auch das Studium, sowie die Prüfung der neuen Methoden solche Hilfsmittel, dass zur Beistellung die Kräfte des einzelnen Forschers meistens nicht hinreichen. Vergleicht man die Photographien, welche vor 2 5 Jahren als ausgezeichnet bewundert wurden, mit den Lei stungen unserer Tage, so wird man erkennen, wie Forschung und Er fahrung zur Vervollkommnung des gewöhnlichen, auf der Reaction der Silberverbindungeri beruhenden, photographischen Verfahrens beigetragen haben. Wir müssen aber auch bekennen, dass vielleicht noch andere Um stände dazu beitragen, bei uns die höhere Entwicklung der neueren Ver vielfältigungsmethoden zu hemmen. Als solche bezeichnen wir besonders die geringe Unterstützung, welche die Photographie an unseren gewerb lichen Lehranstalten findet, und die Schwierigkeit, sich Capitalien zu billigen Bedingungen zu verschaffen, um neue Methoden in die Praxis einzuführen. Während an anderen Orten die Photographie bereits würdig be funden wurde, als ein Fach, das für Künstler und Techniker von hoher Bedeutung ist, in die Reihe der Unterrichtsfächer aufgenommen zu wer den, während man z. B. an .der königlichen Gewerbeakademie in Berlin bereits seit Jahren ein photographisches Atelier eingerichtet und einen Lehrer für Photographie bestellt, während an der Kunstschule zu Nürn berg, wie wir vernahmen, ein Cursus über Photographie gegeben vvird, an der polytechnischen Lehranstalt in Dresden ein Docent; dieses Faches fungirt und auch noch an anderen Orten, insbesondere an Ingenieur- und Militärschulen in gleicher Weise photographische Curse in das Leben ge rufen und Ateliers eingerichtet wurden, harrt bei uns das jüngste Glied der reproducirenden Künste, das gewiss in der kurzen Spanne yon drei Decennien seine Lebensfähigkeit documentirt, der Wissenschaft und Kunst bereits wesentliche Dienste erwiesen hat, an den Pforten der technischen und artistischen Lehranstalten jener Berücksichtigung, die sie im vollen Masse verdient und gey^ss wieder reichlich vergelten ppöchte.