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Sie theilt den Teppich wie ein Feld kunstmässig ein, verziert ihn mit
rahmenartigem Ornament und bringt nur dazwischen Blumenbouquets in
kunstgerechter Vertheilung an. Hat es die erste Richtung auf Nach
ahmung der Natur als Kunstprincip abgesehen, so verlangt die zweite
bestimmte Zeichnung, künstlerische Anordnung und Einhaltung eines be
stimmten Styls, der speciell den letzten drei oder vier Jahrzehnten des
18. Jahrhunderts angehört. Die dritte Richtung ist die orientalische, deren
Princip, die Zeichnung mehr oder minder aufgebend oder verhüllend,
darauf ausgeht, verschiedene Farben so zusammenzustellen, dass sich für
das Auge eine angenehme, wohlthuende Harmonie, so zu sagen in einem
einzigen gefärbten Klange ergibt. Aus verschiedenen Gründen, die wir
hier nicht auseinander setzen wollen, ist das für Fussteppiche ästhetisch
die angemessenste Weise.
Von diesen Richtungen ist die erste, die naturalistische, bereits so
weit veraltet, dass sie nicht mehr ausstellungsfähig ist und auch auf
grösseren Ausstellungen kaum noch hervorragt. So sah man kein Beispiel
auf der Londoner Ausstellung des Jahres 1871. Die zweite Richtung, die
specifisch französische, wird auch noch von Frankreich gehalten, aber
neben der orientalischen. Beide waren in der französischen Abtheilung
der genannten Ausstellung vertreten, während die englische Teppich-
fabrication nur mit orientalisirenden Arbeiten erschienen war.
Das letztere ist auch auf unserer Ausstellung der Fall. Im Gefühle
dessen, dass der orientalische Styl hier das Richtige trifft und dass ihm
auf diesem Gebiete die Zukunft gehört, hat die Firma Ph. Haas & Söhne
diesen Styl gepflegt, wie vielleicht kein anderes Etablissement, und die
Ausstellung legt davon, sowohl was die Schönheit, die Mannigfaltigkeit
wie die Kolossalität betrifft, das glänzendste Zeugniss ab. Es muss dabei
zugleich ihres Künstlers, Herrn Hatzinger’s, gedacht werden, von dem
die meisten Zeichnungen zu diesen Teppichen wie zu den verschiedenen
Decken und Möbelstoffen, die wir später zu besprechen haben werden,
herrühren. Manche dieser Gewebe sind mehr oder weniger genaue Co-
pien, andere Umarbeitungen von echten orientalischen Motiven, wofür
sich alte Original-Beispiele, mitunter der allerschönsten und reichsten Art,
im Oesterr. Museum finden; andere wieder sind freie Compositionen, die
nur das orientalische Princip festzuhalten suchen. So sehen wir Anklänge
und Motive der verschiedensten Art, alle jedoch aus demselben Princip
geschaffen; wir erkennen die indische, die persische, die türkische Weise,
und unterscheiden von ihnen gar leicht jene Art, in welcher das orien
talische Princip dem europäischen Gefühl unterworfen ist. In Bezug auf
die letztere haben wir eine Bemerkung zu machen. Die echten orienta
lischen Teppiche haben, wie Jedermann weiss, Zeichnung und Anordnung,
aber diese ordnen sich der Farbenwirkung unter; bei den europäischen
Geweben orientalisirenden Styls aber tritt die räumliche Anordnung häufig
zu stark heraus, geometrische Figuren machen sich als solche geltend,