ERLÄUTERUNGEN
ZUR
AUSSTELLUNG ALTER MÖBEL
OE ST ERREICH! S CHEN MUSEUM.
VON
JACOB IF’AAILiJKJZE.
WIEN.
Verlag des k. k. Oesterreichischen Museums.
1874.
Erläuterungen
zur
Ausstellung alter Möbel im Oesterr. Museum.
Von Jacob Falke.
I.
Wer die Möbel auf unserer Weltausstellung, wie sie von allen Län -
dern Europa’s herbeigesendet waren, mit kritischem und vergleichendem
Blick betrachtete und dabei zu Hilfe nahm, was an der eigenen Erinne -
rung seines Lebens Derartiges vorübergegangen war, der konnte sich
Einer Wahrnehmung nicht entziehen: unverkennbar trat ein Umschwung
im Geschmack hervor.
Während noch vor wenig Jahren Alles, was der Mode folgte, was
auf dem Höhepunkt des modernen Geschmackes stehen sollte, einer der
Stylformen des 18. Jahrhunderts angehörte, mochte es sich nun mehr
dem Rococo oder der nach Louis XVI. benannten Art anschliessen, hat
der Geschmack gegenwärtig einen Schritt rückwärts gethan, — rückwärts
nicht im ästhetischen Sinne, sondern in der Chronologie der Kunst -
geschichte, in Bezug auf den Styl, den er sich zum Vorbild ersehen.
Der moderne Geschmack erlaubt sich in dieser Beziehung eine merk -
würdige Willkür in der consecutio temporum. Imitirend, wie er ist, nahm
er nach dem Untergang des letzten noch einigermassen eigenthümlichen
oder vielmehr eigenen Styls, dem des Empire, das eigentliche Rococo,
also die Kunstart im Zeitalter von Louis XV., rein nachahmend oder co-
pirend wieder auf. Dann warf er sich völlig auf die prunkende Art
Ludwig XIV., um sie mit Louis XVI. zu vertauschen und sodann zwi -
schen dieser Stylart und derjenigen von Louis XV. zu schwanken. Wer
alt genug ist, ein paar Jahrzehnte zurückzudenken, dem wird das Alles
noch in eigener Erinnerung sein. Der Wandel und Wechsel war schnell
genug. Heute haben die Franzosen, welche in ihrer Beweglichkeit, in
ihrer Sucht nach Neuem, die Leiter waren, mit den vornehmsten Spitzen
ihres Geschmackes sich dem Style Louis’ XIII. zugewendet, sind also um
mehr denn ein Jahrhundert rückwärts gegangen, haben damit aber auch
I
4
zugleich sich einer reineren Kunstart zugewendet. Wir gehen noch weiter.
Wir richten unsere Augen, statt auf das siebzehnte Jahrhundert oder auf
die erste Hälfte desselben, auf das sechzehnte Jahrhundert, wir streben
wenigstens uns an die reine Renaissance zu halten, ohne indess die frü -
here Barockzeit zu verschmähen, welche in der Möbelconstruction viel -
leicht glücklicher war als in der Architectur, jedenfalls uns eine grosse
Zahl mannigfacher und verwendbarer Motive überliefert hat.
Das ist ohne Zweifel der Stand der Dinge, wie ihn die Weltaus -
stellung in Wien uns vor Augen geführt hat. Die Tendenz des Geschmacks
in der Möbelfabrication, den Sitzmöbeln wie den Standmöbeln, geht un -
verkennbar den verschiedenen Formen der Renaissance zu und um so be -
stimmter, je mehr das Kunstgewerbe eines Landes sich von der französi -
schen Herrschaft zu lösen trachtet. Indess ist Frankreich keineswegs da -
von ausgenommen, viel eher noch auffallender Weise England, dessen
Geschmack in den Möbeln da, wo er mit der Mode zerfallen ist, sich vor- ^
zugsweise mittelalterlichen Motiven zuwendet.
Diese Tendenz des Geschmackes konnte man der Ausstellung aller
Länder absehen, so viel Eigenthümliches, so individuelle Züge auch ein
jedes darbieten mochte. Neben Frankreich nahmen Belgien, Holland, Ita -
lien, Dänemark, Schweden u. s. w. Theil daran, ganz besonders aber
trat der Zug zur Renaissance in der Möbelindustrie Deutschlands wie
Oesterreichs hervor.
So klar und ausgesprochen aber auch diese Neigung vor Augen lag,
so zeigte sich andererseits auch in der Willkür, in der mangelhaften Con-
struction und vielen anderen fehlerhaften Dingen die Unbekanntschaft mit
den Formen, mit dem, was wirklich im Geist und Wesen des Styls lag;
den man bewusst oder unbewusst imitirte. Das Studium guter Vorbilder,
wirklicher Arbeiten des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, er -
schien als eine Nothwendigkeit, als das eigentliche und rechte Mittel,
zum erstrebten Ziele zu kommen.
Unter diesen Umständen ist die Special-Ausstellung alter Möbel, wie
sie das Oesterr. Museum ausserordentlicher Weise für diese Sommer -
monate veranstaltet hat, als eine That zu betrachten, die in eminentem
Sinne zeitgemäss ist. Die Kunstfreunde Oesterreichs und Wiens insbe -
sondere, die stets in nicht genug anzuerkennender Weise bereit gewesen
sind, die Bemühungen und Bestrebungen des Museums zu unterstützen,
haben auch diesmal ihren Besitz mit gleicher Bereitwilligkeit zur Ver -
fügung gestellt. Mit ihrer Hilfe oder vielmehr durch sie allein ist eine
Ausstellung zu Stande gekommen, welche gleich lehrreich ist dem Kunst -
freunde wie dem Künstler, dem Industriellen, dem Gewerbsmann —- aul
welche letzteren es vor Allem abgesehen war — gleich lehrreich und Ge -
nuss bringend durch die Schönheit der Gegenstände wie durch ihre Ori -
ginalität und Mannigfaltigkeit.
5
Leicht hätte sich die Zahl der Gegenstände auf das Doppelte und
Dreifache bringen lassen, denn das Material, das vorhanden ist und sich
darbot, ist reich genug. Aber die Räume des Museums, welche zur Ver -
fügung standen, obwohl sie keineswegs gering sind, hätten nicht hinge -
reicht. Es ist selbst’ der Sitzungssaal hinzugezogen worden und hat zur^
Ausstellung einer Anzahl von Stahlstichen, Zeichnungen und Büchern mit
Möbelabbildungen dienen müssen. Diese Ausstellung soll zugleich einen
Begriff von dem geben, was Bibliothek und Kupferstichcabinet des Mu -
seums an solchem Material bereits besitzen und für Jedermanns Benützung
zur Verfügung stellen.
II.
Drei Jahrhunderte der Möbelfabrication sind es etwa, welche unsere
Ausstellung repräsentirt. Die Gegenstände beginnen der Zeit nach mit
der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts und endigen mit der
• zweiten Hälfte des achtzehnten. Das ist aber die eigentliche Blüthezeit
kunstreicher Möbelfabrication, diejenige, die vor Allem zur Reform des
modernen Geschmackes auf diesem Gebiete wichtig und lehrreich ist. Die -
jenigen Stylarten und Decorationsweisen, welche in diesen Zeitraum fallen,
sind auch alle vertreten, so dass wir in unserer Ausstellung gewisser-
massen eine Geschichte der Möbelindustrie in den letzten Jahrhunderten
vor Augen haben.
Nicht minder vollständig oder wenigstens mannigfach erscheinen die
Gegenstände der Ausstellung aus dem Gesichtspunkte ihrer Herkunft,
ihres Ursprungs. Fast alle Länder des civilisirten Europa haben ihren
Beitrag gestellt. Portugal und Spanien glänzen mit hochinteressanten und
originellen Arbeiten; von Frankreich und Italien finden sich treffliche ge -
schnitzte Möbel, aus einer Zeit, bevor der Geschmack dieser Länder dem
Barocken völlig unterlag; der Nieder-Rhein, Holland und Belgien, ehe -
mals eine ganz besonders blühende Stätte der Möbelindustrie, sind reich
und glücklich vertreten; selbst der scandinavische Norden, Dänemark und
Schleswig-Holstein fehlen nicht mit eigenthümlicherl Arbeiten; der hei -
mischen Industrie, der ehemals so bedeutenden Möbelschnitzerei aus dem
österreichischen, salzburgischen und bairischen Gebirge ist kaum nöthig
zu gedenken.
Jeder Kunstfreund weiss, dass echte Möbel von feinerer Art aus der
gothischen Kunstepoche heute unendlich schwer zu bekommen sind.
Hier und da findet sich wohl noch ein solider Kasten von dickem Eichen -
holz mit plumpem Masswerk, der durch seine Construction noch einiges
Interesse bietet, aber wegen seiner Schwere und Ungefälligkeit das Auge
des Kunstliebhabers nicht reizen . kann. Dennoch bietet die Ausstellung
eine ziemliche Reihe gothischer Möbel. Sie gehören freilich alle dem
fünfzehnten Jahrhundert an, genauer noch der zweiten Hälfte desselben
6
lassen aber drei ganz verschiedene und charakteristische Arten erkennen,
verschieden nach ihrer Decorationsweise wie nach ihrer Herkunft.
In dem gothischen Möbel pflegte das constructive oder architekto -
nische Element vor dem plastischen vorzuherrschen. Die Trockenheit des
ersteren zu mindern, wurde dann gern mit Farbe ein malerischer Effect
hinzugefügt. Die meisten gothischen Möbel sind daher flach in den Pro -
filen und ganz ohne vortretendes Gesims, an dessen Stelle sie festungs -
artig eine Zinnenkrönung tragen oder auch eine durchbrochene Masswerk-
galerie. Das Ornament hält sich daher auch nach Möglichkeit in der Fläche
und erhebt sich nur in gewisser und beschränkter Stufenfolge zum Relief.
Diese Stufenfolge lässt sich in den angedeuteten drei Arten ganz gut
erkennen.
Die erste Stufe beginnt mit einem ganz flachen Ornament, das
eigentlich gar kein Relief hat, gar nicht auf Licht und Schatten berechnet
ist. Es sind Ornamente, meist laubig in den bekannten Formen der
Gothik, die wie eine Contourzeichnung gar nicht aus der glatten Fläche
des Brettes heraustreten und nur dadurch sich abheben, dass der Grund
ein wenig ausgestochen und einfach, gewöhnlich in Blau oder Roth, ge -
färbt ist. Es gehört zu diesen Arbeiten, wenn anders sie einigermassen
auf Kunst und Reichthum Anspruch erheben, ein reicher Eisenbeschlag,
der mit Bändern, Schloss, Handgriffen und Beschlägen den malerischen
Effect erhöht, indem das Eisen in seiner gewohnten Verzinnung silbern
glänzend und durchbrochen gehalten auf rother oder blauer Unterlage an -
gebracht ist. Die Heimat dieser gothischen Möbel ist vorzüglich Salz -
burg und Ober- und Nieder-Baiern.
Das Museum besitzt ein wohlerhaltenes Prachtstück dieser Art mit
dem reichsten und feinsten Eisenbeschlag, das Geschenk einer bairischen
Herzogin an das Kloster Altomünster aus dem Ende des fünfzehnten Jahr -
hunderts, indess befindet es sich unten im gewöhnlichen Möbelsaal und
nicht in jenen Räumen, welche der in Rede stehenden Special-Ausstellung
gewidmet sind. Doch auch diese hat einige Beispiele, und zwar in einem
grossen Kasten und in einem Tische, beides Eigenthum des Antiquars
Pollak in Salzburg (Nr. 23 und 21 des Katalogs). Der Kasten ist aller -
dings minder fein als der des Museums und sein Eisenbeschläge, weit
späteren Datums, gehört ihm nicht, doch ist das Stück immerhin charak -
teristisch. Dasselbe gilt von dem Tisch, einem Möbel, das um so inter -
essanter ist, weil man es seltener findet als den Kasten. Das grelle Ultra -
marin, mit welchem die Gründe zwischen dem Ornament ausgefüllt wor -
den, ist allerdings eine kleine Barbarei. Ein echtes gothisches Möbel ist
niemals mit Ultramarin bemalt gewesen, weil diese Farbe für die grosse
Fläche damals viel zu theuer war.
Als die zweite Art oder Stufe würden wir diejenigen Möbel betrach -
ten, welche mit dem architektonischen Masswerk verziert sind. Auch das
ist kein eigentliches Relief, da es sich nicht frei aus der Ebene herausbe-
7
wegt, doch ist es, wenn richtig gehalten, bereits auf Licht und Schatten
berechnet. Auch diese Art pflegt wohl den tiefen Grund in Farbe zu
setzen oder auch das Masswerk gleich den steinernen Fensterrosetten durch -
brochen zu halten. Sie ist mit verschiedenen Gegenständen vertreten,
gröberen und feineren, sehr gut insbesondere in Nr. 31, einem kleinen
Geschirrkasten mit offenem Untertheil, welcher Eigenthum des Antiquars
Zelebor in Wien ist. Hier geht das feine Masswerk in streng gothi-
sches Laubwerk über. Ein anderer ähnlicher Kasten, aber mit geschlos -
senem Untertheil, Nr. 2 5 des Katalogs, gehört demselben Antiquar. Hier
ist die Masswerkrosette leicht durchbrochen gehalten und lässt dadurch
Luft in das Innere eintreten. Bei diesen Möbeln finden sich die Seiten
zuweilen mit etwas freierem Ornament verziert, das jedoch nur aus dem
Brett geschnitten und sehr leicht und frei gehalten ist; häufig begegnet
uns auch das allbekannte gothische Motiv der imitirten Pergamentrolle.
Das bedeutendste Stück in diesem Genre ist jedenfalls der grosse
Credenzkasten des Fürsten Friedrich Liechtenstein, der über und
über mit reichem, wechselvollem Masswerk bedeckt ist. Er bietet
dem gothischen Ornamentisten eine Fülle fein combinirter Motive in
diesem Genre. Auch er gehört wie die übrigen erwähnten Gegenstände
dem fünfzehnten Jahrhundert an. Aufgefunden wurde er zuletzt in Kärn -
ten, doch weist die feine Holzmarqueterie, welche die Masswerkfelder um -
gibt, auf einen mehr südlichen Ursprung jenseits der Berge hin, wahr -
scheinlich nach Friaul oder Nord-Italien. Die erwähnten Gegenstände aus
dem Besitze des Herrn Zelebor sind dagegen deutschen Ursprungs und
stammen vielleicht aus Franken; doch ist die Art so allgemein, dass
man wohl unschwer die Zeit, aber weniger leicht den Ort der Entstehung
bestimmen kann.
Die dritte Art der gothischen Möbel, welche unsere Ausstellung ver -
treten zeigt, ist die seltenste und künstlerisch die höchste. Auch sie hält
sich flach mit den Profilen, aber sie schmückt sich mit Reliefs, die wirk -
lich plastisches Leben haben; das Laub bewegt sich frei und lebendig.
Auch Figuren treten zum Schmuck hinzu, selbst humoristische, wie das
eine unserer Beispiele erkennen lässt, hie und da auch Farbe für den Grund
und vor Allem ein kunstgemässes Eisenwerk. Vertreten ist diese Art ins -
besondere durch drei Buffet- oder Geschirrkästen (Nr. 35, 37, 39) aus dem
Besitz des Fürsten Johann zu Liechtenstein, alle drei niederrheinischen
Ursprungs und vom linken Ufer des Flusses stammend. Es sind vor -
treffliche und charakteristische Arbeiten, fein in ihrem Genre, sowohl
nach ihrem Bau wie nach ihrer Arbeit, und höchst selten zu finden.
Ihnen reiht sich aus demselben Besitz und von derselben Zeit und Her -
kunft ein kräftiger Tisch mit reichem Eisenbeschläge an (Nr. 44), der
namentlich durch die Construction und Ornamentation seines Untertheiles
interessant ist. Der eingelegte Adler auf der Platte ist später hinzugefügt.
8
III.
Die künstlerische Wandlung, welche das Möbel im Laufe des sech -
zehnten Jahrhunderts in der Kunstepoche der Renaissance erfuhr, war
eine sehr durchgreifende. Sie zeigt sich einmal darin, dass der Gegen -
stand eine reichere Gliederung, ein bewegteres Profil erhält und dass die
Glieder weiter vorspringen oder tiefer zurückweichen, wodurch eine kräf -
tige Wirkung von Licht und Schatten entsteht, welche das gothische Mö -
bel nicht besass. Insbesondere treten die vielfach gegliederten Gesimse
wie an Palastfacaden heraus, Karyatiden, Säulen und Pfeiler fügen sich
an und bilden zuweilen, doch schon missbräuchlicher Weise, eine volle
Architektur. Zum anderen loset sich das Relief-Ornament aus seinem ge -
bundenen Zustand, in welchem dasselbe von der Gothik gehalten war,
und verbreitet mitunter ein reiches und bewegtes Leben über das ganze
Möbelstück. Dagegen fällt das reiche und feine Eisenwerk von Schloss,
Bändern, Beschlägen und Handgriffen, welche offen daliegend das gothische
Möbel auszeichneten, in den meisten Fällen und namentlich bei den fei -
neren Arbeiten hinweg oder es wird in veränderter Gestalt im Inneren
angewendet. Alsbald tritt aber zu diesem plastisch verzierten Mobiliar
ein malerisch verziertes hinzu, das sich zwar in derselben Structur hält,
aber seine Glieder und Füllungen mit verschiedenfarbigem Holze schmückt.
Für beide Arten so wie für ihre mannigfachen Abarten, die sich nach
Zeit und Ländern scheiden, bietet unsere Ausstellung zahlreiche und
charakteristische Beispiele.
Als eine Besonderheit, die aus dem geschilderten Rahmen des Re -
naissance-Mobiliars herausfällt, gedenken wir zunächst zweier sehr ähn -
licher Kästen spanischer Herkunft, der eine (Nr. 3o) Eigenthum des Gra -
fen Ernst Hoyos, der andere (Nr. 102) des Herrn Fr. von Rosenberg.
Beide sind einfach in ihrer Construction, die obere Hälfte mit einer Klappe
geschlossen, die sich herablässt und auf Schieber legt, so dass sie wohl
als Secretäre oder Schreibkästen gedient haben. Sie gehören dem sech -
zehnten Jahrhundert an, sind aber ganz im Gegensatz zu allen gleich -
zeitigen Möbeln glatt und flach, ohne alle Profilirung. Was sie aus -
zeichnet, ist ein reicher und origineller, ehemals ganz vergoldeter Eisen -
beschlag, der die Klappe bindet, und ein zierliches geometrisches Arabes -
kenornament, das sich besonders über die zahlreichen Lädchen im Innern
verbreitet. Wir erkennen an diesen Eigenthümlichkeiten, dass wir es mit
einer maurischen Reminiscenz zu thun haben.
Die gleiche Reminiscenz rufen uns zwei andere Kästen aus dem Be -
sitz des Herrn von Rosenberg wach (io3, 104), welche ganz mit Cor-
duanleder überzogen sind. Auch sie sind spanischen Ursprungs, aber min -
destens um ein halbes Jahrhundert jünger als die eben erwähnten Schreib -
kästen. Bei dem Mangel aller Gliederung besteht ihre Verzierung, ganz
dem Material entsprechend, in eingepressten Goldarabesken und dazwischen
in Medaillons mit Reiterfiguren. Die einen wie die anderen Gegenstände,
jene Schreibkästen wie diese mit Leder überzogenen, sind uns hier in
unserer Gegend eine seltene Erscheinung.
Die pyrenäische Halbinsel hat uns noch andere Seltenheiten der
späteren Renaissance gesendet, die wir gleich hier besprechen wollen, ob -
wohl sie etwas jüngeren Datums sind. Es ist ein grosses Bett (Nr. i35),
eine Commode (Nr. m) und ein Cabinetkasten (Nr. ioi), beide letztere
mit einem entsprechend gearbeiteten Untersatz, sämmtlich aus Portugal
stammend, der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts angehörig und
Eigenthum des Herrn von Falbe, k. dänischen Gesandten. Sie bieten
wenig Beziehung zu den gewöhnlichen Eigenschaften der Renaissance-
Möbel, zu denen sie doch zu zählen sind.
Das Charakteristische des Bettes besteht in der überaus reichen Ver -
wendung gedrehter Säulen und Säulchen, welche nicht blos als Stützen,
sondern auch als Decoration Dienste zu leisten haben. Cabinet und Com -
mode sind dagegen mit dem wellenförmigen Ornament bedeckt, das man
»Passichtarbeit« zu nennen pflegt und das im siebzehnten Jahrhundert bei
Rahmen und Eifenbeingegenständen in häufigem Gebrauche stand. Die
kleinen Schiebladen der Commode erinnern mit ihrer rautenförmigen De -
coration auch an die maureskische Verzierung der erwähnten spanischen
Schreibkästen.
Sehen wir uns nun nach diesen mehr exceptionellen Gegenständen
nach denjenigen Möbelstücken um, welche die charakteristischen Eigen-
thümlichkeiten der Renaissance tragen, so wird es dem Kenner wohl auf -
fallend erscheinen, dass Italien, die Wiege der Renaissance und noch heute
die Quelle zahlreicher Möbelstücke dieser Kunstepoche, obwohl es uns
doch so nahe liegt, verhältnissmässig wenig vertreten ist. Das einzige
wirklich charakteristische Stück ist (Nr. 94) eine Truhe aus dem Besitz
des Herrn von Rosenberg, mit flotten freien Figurenreiiefs und kräfti -
gem plastischen Ornament. Das Stück bezeichnet in seiner effectvollen
Art mit goldenem Grund, von dem sich die dunklen Figuren abheben,
und sonstigen Vergoldungen im Ornament den decorativen Styl im Innern
der venezianischen Paläste des sechzehnten Jahrhunderts. Zwei andere
Gegenstände, ein Schreibkasten (Nr. 95), aus dem gleichen Besitz, und ein
kleiner Wandkasten (Nr. 27), Eigenthum des Herrn Zelebor, beide Ge -
nueser Arbeit aus dem sechzehnten Jahrhundert, sind, namentlich der
erstere, im höchsten Grade originell und charakteristisch für den Ort
ihrer Herkunft, aber mit vielen vortretenden kleinen Figuren, die mit dem
Bau des Geräthes fast in gar keinem Zusammenhänge stehen, zu barock,
um uns irgendwie zum Muster oder zur Lehre dienen zu können. Trotz -
dem haben sie natürlich ihr Interesse sowohl für den Kunstfreund wie für
die geschichtliche Kenntniss.
Weit besser als Italien ist die Renaissance des Nordens vertreten, vom
Nieder-Rhein und Holland angefangen bis nach Scandinavien hinauf. Auch
IO
Frankreich hat uns ein paar gute Kästen geliefert, wenn auch nicht mehr
der ersten Renaissance angehörig. Der ältere derselben ist Nr. 117, Eigen -
thum des Herrn von Rosenberg, der jüngere Nr. 90, Eigenthum des
Grafen Nakö, aus der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts. Beide
zeichnen sich durch ein gutes und reiches Relief aus, das sich über die
gewöhnlichen Arbeiten erhebt.
Von diesem Standpunkt aus, dem der Schönheit und Feinheit des
Reliefs, können die deutschen und nordischen Arbeiten nicht mit ihnen
wetteifern. Ihr Vorzug ist in den meisten Fällen eine gesunde Construc-
tion und eine gute Gliederung, wozu ein plastischer Schmuck hinzutritt,
der allerdings in den meisten Fällen von handwerksmässiger Ausführung
ist, aber dem Material und der Sache entspricht. Die meisten Gegen -
stände dieser Art kommen nicht aus den Schlössern oder den Sacristeien,
wie gewöhnlich in Süd-Deutschland, sondern aus dem wohlhabenden, be -
häbigen Bürgerhause oder dem reichen Bauernsitze, wie dieselben die
Küsten der Nordsee von der Mündung des Rheines bis zur Spitze von
Jütland begleiten. Ihre Herkunft ist also keineswegs vornehmer Art, sie er -
heben keine Ansprüche und haben sie nie erhoben und doch sind sie von
so gesunder und solider Natur, dass sie unserem leichtfertigen und brech-
lichen modischen Mobiliar gegenüber mit der Vornehmheit alter Geschlech -
ter auftreten und der reichsten und kunstvollsten Behausung würdig er -
scheinen.
Das beste und zierlichste Stück darunter vom Standpunkt der Aus -
führung, zugleich das älteste, ist Nr. 63, ein kleiner Geschirrkasten mit
offenem Untertheil, dessen gut geschnittenes Ornament noch die bekann -
ten Züge der deutschen Kleinmeister trägt. Es ist Eigenthum des Herrn
Ernst Weyden und stammt vom Nieder-Rhein. Ihm nähert sich ein
zweites Stück desselben Besitzers, Nr. 65. In dieselbe Kategorie gehört
auch'Nr. 117, eine reich verzierte und reich gegliederte Credenz mit trep -
penförmigem Aufsatz und hoher Krönung, aus der Zeit von 158o bis
1600, Eigenthum des Grafen Nakö, so wie das aus Köln stammende Bett
aus der Sammlung des Fürsten Johann Liechtenstein, ein sehr gutes
Stück niederrheinischer Arbeit vom Anfänge des 17. Jahrhs. (Nr. 33.)
Ganz verwandter Art sind die Kästen und Credenzen, welche uns
die dänische Halbinsel mit Schleswig und Holstein in den letzten Jahren
durch Vermittlung hamburgischer Antiquare gesendet hat. Die ziemlich
roh, mitunter aber auch vortrefflich ausgeführten Reliefs, welche gewöhn -
lich das ganze Stück bedecken, sind meistens der biblischen Geschichte
entnommen. Das Museum besitzt schon längere Zeit mehrere Gegen -
stände dieser Art; ein neues, das auch durch seinen Bau interessirt, ist
unter Nr. 1 ausgestellt. Ein bedeutenderes Stück, ein Wandkasten mit
zurücktretendem Oberbau und vortretendem, von Karyatiden getragenen
Gesims, mit den Darstellungen von Christi Auferstehung und Christus als
Gärtner, ist Nr. 89, Eigenthum des Herrn von Falbe, aus der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts, etwa vom Jahre 1640. Hieher gehört auch
der etwas widerrechtlich schwarz gebeizte Kasten Nr. 64 mit seinen zahl -
reichen Reliefs.
Herr v. Falbe, dem die Ausstellung auch die portugiesischen Ge -
genstände, die wir bereits früher besprochen haben, verdankt, hat noch
einen anderen, höchst interessanten Beitrag geliefert, der unsere Kenntniss
vom Mobiliar der Renaissance vermehren hilft. Es sind zwei Wand -
kästen von scandinavischer Arbeit, Nr. 88 und 91, von denen namentlich
der zweite, dessen Bau sich übrigens in den einfachen und schönen For -
men einer reinen Renaissance hält, sich durch seine Einlagen von schwar -
zem Holze, eine specifiseh-scandinavische Art der Decoration, auszeichnet.
Diese angemessene, wenig kostbare Verzierung, von so feiner und ele -
ganter Wirkung, verdiente Einführung in unser modernes Mobiliar.
Alle diese bisher besprochenen Kästen, Schränke und Buffets der
Renaissance tragen insofern wohl einen gewissen architektonischen Cha -
rakter, als ähnliche Principien ihre Construction beherrschen. Aber sie
haben doch ihre Bauformen für sich; es sind eben specifische Möbelfor -
men, die weder der Architektur nachgeahmt sind, noch nach denen sich
ein Gebäude ausführen liesse. Und das ist gewiss die richtige Weise.
Nun gibt es aber auch, wie schon oben angedeutet worden, Kästen und
Schränke des 16. und 17. Jahrhunderts in nicht geringer Zahl und keines -
wegs in localer Beschränkung — denn sie kommen in Italien wie ver -
schiedentlich in Deutschland und anderswo vor —'welche geradezu Pa -
last- und Hausfacaden imitiren, welche sich horizontal mit Sockel, Stock -
werken und Gesimsen gliedern, senkrecht mit Säulen, Halbsäulen und Pi -
lastern, und dazwischen statt der Füllungen Nischen mit Figuren oder
blinde Fenster mit der gewohnten plastisch-architektonischen Umrahmung,
mit Giebeln und Voluten einsetzen. Da kommt es denn freilich vor, da
doch dieser Facadenbau nur Thüren mit ihrem Gerüste vorstellt und
Sockel und Gesimse Schiebläden enthalten, dass die Säulen, die nach ihrer
Natur das Feststehende, Unbewegliche materiell wie symbolisch bedeuten,
mit den Thüren sich von ihrem Platze bewegen, selbst von ihrer Basis
und ihrem Capitäl sich trennen. Das ist jedenfalls eine Unzukömmlich-
keit, hinreichend, das Genre bedenklich erscheinen zu lassen, während man
andererseits sagen muss, dass, wenn es in gewissen verständigen Grenzen
gehalten wird, es wohl geeignet ist, mit seiner reichen Gliederung, mit
seinem kräftigen Spiel von Eicht und Schatten eine bedeutende Wirkung
zu machen.
Von diesen Schränken, die meistens Sacristeien entstammen, ist in
unserer Ausstellung eine grosse Anzahl vorhanden, vom Ende des sech -
zehnten Jahrhunderts angefangen bis in das achtzehnte hinein. Insbe -
sondere sind charakteristisch und beachtenswerth diejenigen, welche aus der
Sammlung des Herrn Eugen Miller von Aichholz (Nr. 68 bis 70, so wie
i53) stammen; aber auch manche andere, namentlich von denjenigen,
welche unter den Arcaden aufgestellt sind, geben willkommene Varianten.
Ich verweise auf die Nummern 4 bis 6, Eigenthum der Herren U ebelacker
und Blum, so wie auf Nr. 8 (Museum) und 12. Man kann an ihnen
vortrefflich die Umwandlung im Detail verfolgen, die Veränderung der
Säulen aus cannelirten oder glatten, am unteren Theil mit Relief um -
kleideten in die gedrehten, die auf Consolen eben nur vorgesetzt wer -
den, endlich die allmälige Hinweglassung aller vorspringenden Glieder und
Decorationen und den Beginn der glatten Kästen, deren Zierde nur noch
in Flader oder eingelegter Arbeit besteht.
Hier ist auch die Thür- und Wandbekleidung zu erwähnen, welche
im Sitzungssaal unter Nr. 19 aufgestellt ist. Vermuthlich ist es eine
Tiroler Arbeit, wenigstens stammt sie aus dem Schlosse Völthurns bei
Brixen. Sie trägt ganz den imitativen architektonischen Charakter wie die
Schränke des Herrn Miller von Aich holz, obwohl sie vielleicht etwas
älter ist und noch dem sechzehnten Jahrhundert angehört. Sie schmückt
sich aber auch in allen Füllungen mit Marqueterie und fällt damit in eine
andere Classe des Mobiliars oder der Holzarbeiten, die im Folgenden be -
sprochen werden soll.
IV.
Die Marqueterie oder die eingelegte Arbeit ist für die Renais -
sance nichts Neues mehr. Das ganze Mittelalter kennt sie und hat sie
besonders in Italien häufig und schon sehr früh ohne Zweifel als Tradition
aus dem Alterthum geübt. Was uns aber aus dem Mittelalter erhalten
ist, das trägt mehr den musivischen Charakter; es setzt sich in geome -
trischer Zeichnung aus kleinen buntfarbigen Stücken, zu denen auch Elfen -
bein reichlich Verwendung findet, zusammen. Auch diese Art hat sich in
der Renaissance erhalten, wie wir noch sehen werden. Aus dem Mittel-
alter zeigt unsere Ausstellung davon nur ein einziges Beispiel, nämlich an
den Umfassungen der geschnitzten Rosetten und Masswerkfelder auf dem
gothischen Credenzkasten des Fürsten Friedrich Liechtenstein (Nr. 158).
Die Renaissance machte aber aus der Holzintarsia eine weit reichere
und lebendigere Kunstart. Sie ging über den musivisch geometrischen
Charakter hinaus und bildete mit Einlagen von hellerem in dunklerem
Holz oder umgekehrt das schönste Laubwerk, Blumen und Arabesken mit
Figuren dazu in der reizenden Weise der Früh-Renaissance, alles flach
gehalten. Solche Arbeiten, wie sie sich an Gestühl und Vertäfelung z. B.
zu Florenz in Santa Maria Novella finden, sind durch Teirichs Werk über
die italienischen Holzintarsien allgemein bekannt geworden.
Von dieser Art zeigt unsere Ausstellung allerdings kein Beispiel. Was
sie uns Aehnliches vorführt, gehört bereits dem sechzehnten Jahrhundert
an und ist deutsche Arbeit. Zu dieser Zeit hatte die Marqueterie wiederum
einen weiteren Schritt gethan. Sie hatte allerdings auch die flach gehal -
tene Arabeske der Früh-Renaissance beibehalten, natürlich in zeit- und
13 —
stylgemäss veränderter Zeichnung, daneben aber auch sich an bildliche
Darstellung gemacht, insbesondere von Landschaften, Städteansichten,
Ruinen und architektonischen Perspectiven. Dazu genügte die Naturfarbe
der Holzarten nicht mehr; um Schatten, Licht und Farbe zu bekommen,
wurden die Stücke zum Theil gebrannt, zum Theil gefärbt. Trotzdem
wird man aber finden, dass alle diese Holzintarsien bescheiden in der
Farbe sind und im Gegensatz zu so vielen bunten Arbeiten unserer Zeit
einen höchst wohlthuenden Ton und eine Harmonie haben, die ihnen trotz
der unvollkommenen Darstellung des Gegenstands ihren Reiz sichert.
Die Ausstellung bringt uns verschiedene Beispiele dieser Art, sowohl
in Arabesken wie in Landschaften und Architekturen, kein Stück aller -
dings von der Feinheit und dem Reichthum, wie das Museum deren be -
reits besitzt. Mehrere grosse Truhen, die als Kleiderkästen gedient haben,
empfangen uns gleich am Eingang der Ausstellung. Darunter ist Nr. 22
(Eigenthum des Herrn Pollak in Salzburg), ein Stück von architektonischem
Bau, mit einem Ruinenbilde geschmückt. Dem Costüm der beiden Me -
daillons nach zu schliessen, welche sich auf der Truhe befinden, würde
dieselbe in die Zeit von i520 — i53o fallen. Mehr ornamental gehalten
ist die Truhe Nr. 166, Eigenthum des Herrn Schaffranek, eine Arbeit vom
Ende des sechzehnten Jahrhunderts. Eine dritte, Nr. 32, eine oberdeutsche
Arbeit, ebenfalls Eigenthum des Herrn Pollak, datirt von 1620. Unter
den übrigen kleineren Gegenständen ist namentlich ein Kasten, datirt
1639, Nr. 80, Eigenthum des Herrn Kühn*), durch die schwungvolle
Zeichnung und den Styl seiner Arabesken bemerkenswerth. Zu dieser
Intarsia gehört auch die erwähnte Thür- und Wandbekleidung aus Tirol
(Nr. 19).
Wie in Italien, so war diese Arbeit fast durch ganz Deutschland
verbreitet, wurde in Tirol geübt, in Augsburg, Nürnberg und den ganzen
Rhein hinunter. Hier aber am Nieder-Rhein und in Holland nahm sie in
der Ornamentation eine eigenthümliche Gestaltung an, indem sie in na-
turalischer Art Blumen und Vögel zu Motiven verwendete und damit die
Flächen überzog. Zwei Credenzkästen, Nr. 46, Eigenthum des Fürsten
Johann Liechtenstein, und ein zweiter, Eigenthum des Herrn Bourgeois
in Heidelberg, vertreten das Genre in ausgezeichneter Weise. Ein dritter
Kasten gehört schon seit längerer Zeit dem Museum. Das weitaus be -
deutendste Beispiel, das mir bekannt geworden, sind drei Doppelthüren
mit ihrer reichen Umfassung und Krönung, welche um das Jahr i63o der
berühmte schwedische Kanzler Axel Oxenstjerna in Holland machen liess.
Sie befinden sich jetzt im königlichen Schloss zu Ulriksdal bei Stockholm.
Die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts mag als die Blüthezeit dieser
Intarsia betrachtet werden. Von da ab gab es für sie eine Weile Still -
stand oder wenigstens geringere Anwendung, bis sie im 18. Jahrhundert
*) Für das Museum angekauft.
mit dem Rococo neu wieder auflebte. Damals verband sie sich mit den
geschweiften und gebogenen Formen und Flächen der Rococomöbel, ins -
besondere der Commoden, Secretäre, Tische und kleineren Kästen, zumeist
in zierlichen Blumenbouquets, aber auch mit allerlei Figuren, die nament -
lich dem Theater entnommen wurden, mit Instrumenten und insbesondere
Gegenständen von symbolischer und allegorischer Bedeutung. Auch hie -
von bringt die Ausstellung charakteristische Beispiele, so namentlich einen
Secretär aus dem Besitz des Grafen Nakö, Nr. 79, und zwei commoden-
artige Kästen, 76 und 78, ersterer Eigenthum des Grafen Traun, letzterer
des Herrn von Falbe. Wie auch diese Beispiele zeigen, waren solche
Gegenstände mehr oder minder reich mit vergoldeter Bronze montirt.
Das letzte Beispiel unserer Ausstellung der Zeit nach ist ein Tisch (Nr. 86),
Eigenthum des Feldzeugmeisters von Hauslab, der schon ganz in den
Formen vom Ausgang des 18. Jahrhunderts gehalten ist.
Was die Ausstellung von grösseren Gegenständen mit dieser Ver -
zierung bringt, ist nicht reich und bedeutend in seinem Genre. Unter
den grossen Wandkästen aus dem Ende des \ 7. und vom 18. Jahrhundert,
deren eine ziemliche Anzahl unter den Arcaden aufgestellt ist, befindet
sich nichts vom ersten Range, namentlich was die Verzierung betrifft,
doch sind sie lehrreich nicht blos in Bezug auf die Umbildung der For -
men, sondern auch in Bezug auf die Intarsia, obwohl sich das Ornament
in einfachen Bändern, Linien oder sonst bescheidenen Rococoformen hält.
Sie sind aber interessant, weil man an ihnen die Entstehung unserer heu -
tigen fournirten Möbel durch den Uebergang aus der Holzmosaik, aus der
Benützung des Fladers und der Textur des Holzes beobachten kann. Wir
verweisen namentlich auf die Nummern 5 bis 7 und 9, Eigenthum der
Herren Oerley, J. und M. Blum.
Während die Holzintarsia diesseits der Alpen die angegebene Ent -
wicklung nahm, brachten die Italiener ein anderes Genre in Mode und
übten es in ausserordentlicher Feinheit und Schönheit. Die Verbindung
von Ebenholz und Elfenbein, worauf dieses neue Genre beruht, war wohl
schon im sechzehnten Jahrhundert beliebt und manches gute Stück, das
uns erhalten ist, fällt noch in diese Zeit. Aber die Hauptblüthe gehört
der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts an. Die weissen Einlagen,
sei es in zierlichen Ornamenten, sei es in Figuren, deren Zeichnung durch
eingravirte und geschwärzte Linien vervollständigt wird, machen eine höchst
edle Wirkung, welche dem feinen Kunstgefühle der Renaissance nicht ent -
ging. Eben wegen ihrer Feinheit aber zeigte sich diese Kunstart für
grössere »und schwere Gegenstände wenig geeignet und sie wurde daher
mit richtigem Gefühle auch meist zu kleinerem Geräthe, vor Allem zu den
reich gegliederten, mit zahlreichen Schiebladen und Thüren versehenen
»Cabinets« verwendet. Es ist ein beliebter und gesuchter Gegenstand des
Antiquariats, das daher auch heute mit neugemachten Fälschungen über -
füllt ist. Was wir von grossen Kästen und Schränken, namentlich auch
von Gestühl in diesem Genre sehen, ist weitaus in den meisten Fällen
neue Arbeit.
Unsere Ausstellung zeigt zahlreiche Beispiele dieser Marqueterie, be -
scheidener und reicher in den Einlagen, kein Stück aber darunter ist
wirklich ersten Ranges. Zu den bescheidener verzierten und auch wohl
älteren gehören die comni'odenartigen Kästen Nr. 121 und 126, Eigenthum
des Herrn Zelebor. Desselben Eigenthum ist auch ein Tisch, Nr. 125,
der, nur geometrisch ornamental, sich mit Sternchen und Rosetten aus
dreieckigen Stückchen schmückt. Zu den reicheren und besseren gehört
der Cabinetkasten Nr. 107, Eigenthum des Grafen Nakö. Bemerkenswerth
ist auch Nr. 143, weil sein zierliches sternförmiges Ornament im soge -
nannten Stiftmosaik noch die ältere, im Mittelalter gebräuchliche Art re-
präsentirt, welche im siebzehnten Jahrhundert nach Indien hinüberging
und dort noch heute als Bombay-Arbeit blüht. Unser Gegenstand, Arbeit
des 17. Jahrhunderts, ist Eigenthum des Herrn von Rosenberg.
Wie schon ein flüchtiger Blick auf unsere Ausstellung lehrt, blieb
der Geschmack der »Cabinette« nicht bei Ebenholz und Elfenbein stehen,
sondern verwendete bald daneben bunte Steinarten (Nr. 106), insbesondere
lapis lazuli, dann den sogenannten Ruinenmarmor, der Felsenlandschaften
oderRuinen vorstellen sollte — davon Nr. io5, Eigenthum des Herrn
Grafen Nakö, ein bedeutendes Beispiel ist — oder verband verschiedene
Mosaikarten mit einander. Von letzterer Art, der Verbindung der Holz -
intarsia mit der Florentiner Mosaik, in pietra dura, gibt Nr. 84, Eigen -
thum des Herrn v. Falbe, ein gutes Muster. Im achtzehnten Jahrhundert
war es sodann das rothe Schildkrot, welches vor allem zu solchen Arbeiten
beliebt wurde, sei es in Verbindung mit Ebenholz (Nr. 77, Eigenthum des
Herrn v. Falbe), sei es mit der Holzintarsia oder mit Metall. Aus der
letzteren Verbindung gingen die berühmten Boule-Arbeiten hervor, davon
wir in einem Secretär (Nr. 161) und in einer Commode (Nr. 162) zwei
glänzende Repräsentanten auf der Ausstellung finden; beide sind Eigen -
thum des Fürsten Friedrich Liechtenstein. Zu ihnen gesellt sich ein nicht
minder glänzendes Prachtstück, welches von dem Gemisch aller der ver -
schiedenen Arten, von der Verbindung von Schildkrot, Metall, Elfenbein,
Holzmarqueterie eine vortreffliche Idee gibt. Es ist Nr. j 5g, ein Cabinet -
kasten mit kunstvoller innerer Einrichtung und gleichem prachtvollen
Untergestell, einstmals ein Geschenk der Königin Maria Leszinska von
Frankreich, gegenwärtig Eigenthum des Fürsten August Liechtenstein.
Eine Zeit, aus der solche Arbeiten hervorgingen, — wir machen sie heute
wohl auch noch, aber nur als Nachahmung, — mochte sich rühmen, noch
etwas zu können und noch ihr Eigenes zu haben. Den letzteren Vorzug
wenigstens hat sich das neunzehnte Jahrhundert bis jetzt noch nicht zu -
schreiben können.
— i6 —
V.
Wir haben bisher vorwiegend Kästen, Schränke und dergleichen
Möbelstücke der solideren Art zu besprechen gehabt. Wenn sie nach
Menge wie Bedeutung in der That den Hauptbestandteil der Ausstellung
bilden, so liegt das in der Natur der Sache. In ihrer architektonischen
Beschaffenheit im Allgemeinen von grösserer und soliderer Art, haben sie
eben mehr Beachtung gefunden und dem Verderben der Zeit, dem Unter -
gang durch den Gebrauch besser widerstanden. Was uns die Vergangen -
heit von Holzmobiliar hinterlassen hat, gehört überwiegend dieser Classe
von Gegenständen an.
Nichtsdestoweniger sind wir keineswegs arm an Sitzmöbeln oder
sonstigen Geräten der Vergangenheit. Wenn die Ausstellung sie nicht
in gleicher Weise vielseitig uns vorführt, so wenig nach der Art, wie nach
der Zeit, so kommt das wohl einerseits daher, dass die Fülle des Vor -
handenen an grossen Standmöbeln die Räume schneller ausfüllte, als er -
wartet war, andererseits daher, dass die Entwicklung des eigentlichen
Sitzmöbels erst später beginnt und bis in die Zeit des Rococo nicht die
gleiche reiche Entfaltung nahm.
Das Mittelalter war sehr arm an beweglichem Gestühl; Bänke, die
meist fest an der Wand waren, und Truhen ersetzten den Einzelsitz.
Selbst im sechzehnten Jahrhundert ist derselbe noch verhältnissmässig
selten. Was auf der Ausstellung die Formen dieser Kunstperiode zeigt,
das ist das sophaartige Sitzgeräth Nr. 45 (Eigenthum des Fürsten Johann
Liechtenstein), das auch in seinen figürlichen Reliefs Reiz und Interesse
bietet und in seinen Lehnen ein hübsches Motiv gewährt. Es stammt
vom Nieder-Rhein. Ferner tragen den Stempel der gleichen Zeit, aber
italienischen Ursprungs, die beiden mit Intarsia verzierten Fauteuils
Nr. 98, 99, Eigenthum des Herrn von Rosenberg. Das constructive Mo -
tiv derselben, das dem uralten Faltstuhl entlehnt ist, stammt sogar aus
dem Mittelalter. Eine Truhe (Nr. 28), Eigenthum des Herrn Zelebor,
dient als Beispiel jener Truhen, welche, mit Kissen belegt, zu Sitzbänken
benützt wurden. Ein weit schöneres und grösseres Beispiel dieser Art
mit vortrefflicher Figurenschnitzerei aus guter Zeit befindet sich im Möbel -
saal des Oesterr. Museums.
Das ist Alles, was die Ausstellung an Sitzmobiliar aus dem sech -
zehnten Jahrhundert darbietet. Um so reicher ist das siebzehnte Jahr -
hundert vertreten, in dessen erster Hälfte das gepolsterte Sitzmöbel eigentlich
erst seinen Anfang nahm. Vor Allem zeigen sich eine Anzahl Lederstühle
spanischen oder portugiesischen Ursprungs aus verschiedenem Besitz, die,
sonst selten zu sehen und zu treffen, sich hier in überraschend grosser
Zahl zusammengefunden haben. Ihre einfachen Formen, die Gleichartig -
keit der Verzierung und des Beschläges mit den grossen Knöpfen zeigen,
dass sie alle ziemlich der gleichen Zeit entstammen, der ersten Hälfte
oder der Mitte des siebzehnten ‘Jahrhunderts. Die Lederarbeit, welche
IT— r 7 —
Sitz und Rückenlehne deckt, ist interessant in der Technik, die theils ge -
presst, theils geschnitten ist, so wie ausgezeichnet durch die schönen und
mannigfachen Muster, welche sie darbietet. Die Grundform dieser Stühle
ist wie geschaffen zur Anwendung in unseren modernen, nach künst -
lerischem Geschmack eingerichteten Speisezimmern *).
Eine zweite Serie verschiedenartiger, auch ihrem Ursprünge nach
etwas späterer Stühle bietet die Ausstellung aus dem Besitz des Fürsten
Johann Liechtenstein dar. Sie gehören fast sämmtlich der zweiten Hälfte
des siebzehnten Jahrhunderts an. Durch seinen grossen Bau so wie durch
seine Bequemlichkeit, die man in jener Zeit nicht zu finden erwartet,
zeichnet sich ein grosser geschnitzter Fauteuil Nr. 54 aus. Zwei andere
Sessel aus schwarzem Holz von Kölner Arbeit, Nr. 55 und 56, tragen im
Gegensatz den Charakter der Zierlichkeit und Leichtigkeit bei ganz solider,
naturgemässer Construction. Auch sie sind in ihrer Art mustergiltig.
Sie waren zuerst im Besitze eines in der Kunstgeschichte des siebzehnten
Jahrhunderts nicht unbekannten Mannes, des Kunstfreundes und Sammlers
Jabach in Köln. Andere Motive verschiedener Art, theils mit niederer,
theils mit hoher, theils mit geschnitzter und durchbrochener Lehne geben
die Nummern 36 und 38, 42 und 43, 52 und 53, sämmtlich Eigenthum
des Fürsten Johann Liechtenstein. Zu ihnen kommen noch ein Paar
Stühle mit reich geschnitzter Lehne von der Art jener, die man gewöhn -
lich als Bauernsesseln bezeichnet, Nr. 49 und 5o, Eigenthum des Herrn
Weyden. Die eigentlichen Sitzmöbel der Rococozeit, das ganze Genre
der geschweiften Fauteuils, das der Bequemlichkeit dient, aber der Struc-
tur des Holzes zuwiderhandelt, ist auf der Ausstellung nicht vertreten.
Auch mit den Tischen sind wir vorzugsweise auf die ältere Zeit an -
gewiesen und das ist in der Ordnung, denn die geschweiften, willkürlichen
Tischformen der Rococozeit, von denen die heutigen noch zum grössten
Theil abhängen, sind eben diejenigen, welche wir verbannen müssen. Es
wäre leicht gewesen, aus ihnen eine der Zahl nach bedeutende Ausstellung
zu schaffen, aber sie würden nur das Mustergiltige erdrückt haben. Viel
ist es allerdings nicht, was wir an Tischen finden, aber das Wenige ist
gut und lehrreich. Ein Paar interessante Tische gothischen Styls, der
eine aus Salzburg, der andere vom Nieder-Rhein, sind bereits oben er -
wähnt worden. Das sechzehnte Jahrhundert ist nicht vertreten, wenn wir
nicht in dieser Classe des Nähtischchens Nr. 41 (Eigenthum des Fürsten
Johann Liechtenstein) gedenken sollen, eines höchst seltenen und durch
seine Reliefs doppelt interessanten Stückes, das der ersten Hälfte des ge -
nannten Jahrhunderts angehört. Dagegen bringt das siebzehnte, gleich
aus seinem Anfang in Nr. 5i und 164, ein paar Beispiele niederrheinischer
oder holländischer Art, wie wir sie auf den alten Bildern oder den Ent -
würfen von Vredeman Vriese, de Passe u. A. nicht trefflicher und cha-
*) Sechs von diesen Lederstühlen wurden für das Museum angekauft.
2
— 18 —
rakterischer finden können. Ihr dunkles Colorit, aus schwarzem und
braunem Holze zusammengelegt, die kräftige Platte, die soliden, unten
verbundenen Beine mit ihren Kugeln, dazu die Löwenköpfe und Messing -
ringe in ihrem Maule — sie repräsentiren völlig, was wir uns unter der
Solidität der Gemüthlichkeit, der Behaglichkeit der alten Wohnung vor -
stellen, und doch geht ihnen eine gewisse Vornehmheit in ihrem Ernst
und ihrer Festigkeit nicht ab. Es ist eben keinerlei Schwindel dabei, der
heute mit Schnitzwerk und Figuren unter dem Tische sein Wesen treibt.
Bei der Einfachheit, bei der Leichtigkeit der Herstellung und also der
Billigkeit ist auf der ganzen Ausstellung kaum etwas, was sich so sehr
der directen Verwendung für moderne Zwecke empfiehlt. Ein anderer
Tisch des siebzehnten Jahrhunderts, welcher Beachtung verdient, ist Nr. 48,
Eigenthum des Herrn Weyden. Er ist interessant durch die alte, aus dem
Mittelalter überlieferte Construction, die sich noch heute im Bauernmobi -
liar erhalten hat — leider nur in diesem! Ein Paar portugiesische Tische
aus der gleichen Zeit, die in merkwürdiger Weise ältere Motive mit denen
des siebzehnten Jahrhunderts vereinigen, Eigenthum des Herrn Bourgeois,
haben erst in den letzten Tagen willkommene Ergänzung gebracht, daher
sie noch nicht mit in den Katalog aufgenommen sind *).
Auch vom übrigen Hausrath birgt die Ausstellung noch manches
Stück, doch tritt es, weil vereinzelt, nicht so lehrreich und bedeutend
auf. Nur eine Anzahl Rahmen, sei es für Bilder, sei es für Spiegel, ver -
dienen noch besondere Erwähnung. Das moderne Antiquariat verwechselt
sie oft und benützt für Spiegel, was einst Bilderrahmen war. Dies gilt
z. B. von dem interessanten Stück Nr. 164, Eigenthum der Frau v. Lit-
trow, nicht aber von dem reizenden Spiegel des Grafen Edmund Zichy
Nr. 148, bei welchem zwei Figuren, ein Herr und eine Dame in der ele -
ganten Tracht von etwa i635, mit coquet graciöser Bewegung so ange -
bracht sind, dass sie ihre liebenswürdige Erscheinung im Spiegel betrachten.
Auch das Rococo hat von Spiegeln eine Anzahl zur Ausstellung ge -
liefert, meist kleinere Stücke mit capriciösem, keck und willkürlich her -
ausspringendem Ornament, sämmtlich Eigenthum des Herrn v. Falbe.
Welchen Gegensatz bildet dazu der prächtige Rahmen des sechzehnten
Jahrhunderts aus der schönsten Venezianer Zeit, vollkommen angemessen,
ein Tizian’sches Portrait oder einen ernsten, dunklen Tintoretto in sich
zu fassen! Wir meinen Nr. i52, Eigenthum des Grafen Hoyos. Zwischen
diesem Ernste und der Ueberleichtigkeit des Rococo stehen in der Mitte
mit ihrem Charakter zwei mit Laub und zum Theile mit Figuren reich
geschnitzte Spiegelrahmen, Nr. 5g und 60, wohl niederländischen Ur -
sprungs. Beide sind Eigenthum des Fürsten Johann von Liechtenstein.
Ein geschnitztes Weihbrunngefäss (Nr. 140, Eigenthum des Grafen Hoyos)
schliesst sich an Zierlichkeit und Schönheit ihnen an, obwohl es etwas
älter und italienischen Ursprungs ist.
*) Einer davon wurde für das Museum erworben.
19
Alle diese Gegenstände — es gibt gewiss viel schönere und reichere
noch, als wir sie hier auf der Ausstellung sehen — haben einen Vorzug:
sie sind lehrreich. Und das ist’s, worauf es ankam. Die Rahmen z. B.
bilden sämmtlich einen Gegensatz zu den modernen. Die heutigen treten
hoch und massig mit ihren Profilen von der Wand heraus und schliessen
das Bild tief in einen Kasten ein; die alten schmiegen sich flach an die
Wand und bilden daher zugleich eine Decoration für diese. Die unseren
zerstören ästhetisch die Wand, die alten schmücken sie. Und so wird
man auch den übrigen Arbeiten, den Kästen, Schränken, Buffets, dem
Sitzgestühle, wenn man ihre Eigenthümlichkeit studiren will, gesunde und
brauchbare Motive entnehmen; wird man an ihnen lernen, auf den Grund
der Dinge zu schauen und sich nicht blenden zu lassen von dem glän -
zenden Beiwerk, womit unsere modernen Arbeiten so häufig die mangel -
hafte Anlage verdecken. Wie unscheinbar treten uns auf den ersten Blick
alle diese alten Gegenstände entgegen, denen alle Politur, »Europa’s über -
tünchte Höflichkeit« zu mangeln scheint, an denen die Zeit zum Theil
schon arge Zerstörung angerichtet hat, — und dennoch, je mehr wir uns
mit ihnen abgeben, auf ihr Wesen uns einlassen, desto lieber gewinnen
wir sie, desto mehr lernen wir sie schätzen in ihrer gesunden, tüchtigen
Kernhaftigkeit.
VI.
In jüngster Zeit ist diese Ausstellung, wie die neue Ausgabe des
Kataloges nachweiset, wiederum um eine Anzahl interessanter Möbelstücke
bereichert worden, so dass wir es nicht unterlassen können, unserem bis -
herigen Berichte einen Nachtrag anzufügen. Auch bekennen wir gerne,
in dem Bestreben, kurz zu sein, den einen oder anderen Gegenstand
minder berücksichtigt oder wohl gar übersehen zu haben.
Dieses Vergessen hat zum Beispiel einen eigenthümlichen Wandkasten
aus dem Besitze des Herrn Trau betroffen (Nr. 134), den wir noch hätten
den spanischen Arbeiten anreihen sollen. Auf einer Anzahl leichter Säul-
chen, die den unteren Theil offen lassen, erhebt sich ein mässig hoher
Kasten von braunem Holze, der ganz auf seinen Flächen wie um die
Säulen herum mit eingelegten Arabesken, Blumen und Cherubimköpfen
in Perlmutter bedeckt ist. Geben diese Köpfe so wie die Zeichnung des
Ornaments christlichen Ursprung zu erkennen, so bilden der Aufbau des
Kastens wie die Technik der Verzierung entschieden eine maurische Re-
miniscenz. Letztere ist noch heute von den Türken in ihren zahlreichen
musivischen Perlmutterarbeiten, mit denen sie ihre Möbel bedecken, fest -
gehalten.
Haben wir in diesem Stück aus Spanien eine »westöstliche« Tradi -
tion, so hat uns auch der eigentliche und ferne Orient nicht im Stiche
gelassen. Längst bekannt sind den Besuchern des Museums die mit Stift-
2
20
mosaik bedeckten persischen Sessel und der grosse Thron, auf welchem
es dem Thronenden gestattet ist, bequem auf Kissen gebettet die Huldi -
gungen in Empfang zu nehmen. Die Technik der Verzierung, die, wie es
wahrscheinlich ist und wie auch bezeugt wird, von Florenz ausgegangen,
mag man mit einem schon früher beschriebenen Cabinetkasten von Flo -
rentiner Herkunft aus dem 17. Jahrhundert (Nr. 143) vergleichen. Auch
Japan hat in zwei grossen kofferartigen Truhen von vieux laque (Nr. 17,
18, Eigenthum des Grafen Zichy) einen Beitrag gesendet, der in seiner
Art sehr schön ist, wenn das Genre auch nicht im Ziel dieser Ausstellung
lag. Daher sind sie vereinzelt geblieben und haben nur in Nr. 20 einen
verwandtschaftlichen Genossen gefunden. Es ist ein grosser chinesischer
Wandschirm, dessen reiche Verzierung vertieft eingeschnitten und mit
kalter Lackfarbe ausgemalt ist.
Auch die Uhren haben wir übergangen. Allerdings ist vom Stand -
punkt des feineren Kunstgeschmacks gar nichts von besonderer Bedeutung
darunter und man sieht ihrer Aufstellung an, dass sie wohl nur zur Ver -
vollständigung und zur Decoration vorhanden sind, um uns die Formen
gewisser Wandmöbel, auf denen sie Stellung fanden, verständlicher zu
machen. Indessen auch so sind sie lehrreich, nicht blos weil sie uns einen
Begriff von den alten Formen geben, von der Gestaltung, von dem Ge -
häuse, von der Verzierung des Zifferblattes, sondern auch im Gegensatz
zu dem, was heute in ihrer Art geschaffen wird. Bei den alten Uhren,
sei es nun bei den kleinen Wanduhren, die meistens in Metallgehäusen
eingeschlossen sind, oder bei den Wanduhren, deren Kasten ein richtiges
Stück Möbel bildet, das decorativ seinen Platz an der Wand ausfüllt, ist
die äussere Form, die Hülle, der Kasten immer das Resultat des Uhr -
werkes selber nach seiner Gestalt und das Ornament schliesst sich daran
in engster Weise an. Höchstens erinnern gewisse Standuhren mit Säulchen
an den vier Ecken, mit Galerien und Kuppelglocken in zierlich durchbro -
chenem Aufbau an Thurmbildungen, aber in so bescheidener Weise, so
massvoll und so dem Gegenstände angepasst, dass man die Art nicht
schelten kann. Vielmehr erfreut sie sich nicht mit Unrecht grosser Beliebt -
heit unter den Kunstfreunden.
Ganz anders ist es bei den modernen Uhren. Hier ist gemeiniglich
der Kasten die Hauptsache, das Uhrwerk und Zifferblatt selbst die Neben -
sache. Bei den französischen Uhren — und ihnen folgt noch alle Welt —
glauben wir mehr ein kleines Monument zu sehen, eine antike Figur grie -
chischer oder neuerdings ägyptischer Herkunft, die auf ihrem Postamente
ruht, oder Gruppen oder Vasen oder sonst mancherlei Dinge, die mit dem
Gegenstände möglichst wenig Beziehung haben, und die Uhr selbst ist so
nebensächlich, vielleicht gar in einer Ecke angebracht. Und das Alles muss
hübsch unter einer Glasglocke stehen, die man noch mehr hüten muss als
das Uhrendenkmal selber. Hier in Wien zeigen die Gehäuse der Wand -
uhren vielfach bereits eine Besserung, einen Uebergang zu rationellen
21
Formen. Wie wenig aber diese Richtung sonst in der Welt durchgedrungen
oder nur gekannt ist, lehrt der Unsinn, den heute — und gerade erst in
jüngster Zeit — die Schwarzwälder mit ihren geschnitzten Uhrgehäusen
treiben, ein Unsinn, der ex professo durch Schulen noch künstlich gross -
gezogen ist. Das ganze Gebirg mit seiner Natur, seinen Thieren, seinen
Bewohnen, seinen Sitten treibt sich anspruchsvoll um so ein armseliges
Uhrwerk herum, dass man wirklich die alte, bescheidene'Art mit schlecht ge -
malten Blumen auf emaillirtem oder porzellanenem Zifferblatt noch vorzieht.
Doch zurück von dieser kleinen Abschweifung zu unserer Ausstel -
lung, davon wir noch besonders besprechen wollten, was sie in jüngster
Zeit an Ergänzungen erhalten hat. Das bedeutendste davon sind einige
Kästen aus dem Besitze der Herren Bourgeois in Heidelberg, darunter
selbst ein seltenes gothisches Stück (Nr. 176), niederrheinischen Ursprungs,
aus der zweiten Hälfte des i5. Jahrhunderts. Es ist ein kleiner Wand -
kasten in zwei Abtheilungen, die Thürfüllungen mit Wappen und Helmen
und äusserst zierlicher, zu Laubwerk zerschnittener Helmdecke in Relief
überzogen, auch mit reichem Eisenwerk versehen, das, aus Bändern,
Schloss, Griff u. s. w. bestehend, einen Hauptschmuck bildet. Dieser Eisen -
beschlag ist platt und scharfkantig, ebenso wie auf den gothischen Möbeln
rheinischen Ursprungs aus dem Besitz des Fürsten Liechtenstein, nicht
getrieben und gebuckelt und zu der zierlichen, plastischen Lebendigkeit
ausgearbeitet wie das Nürnberger, Augsburger oder sonst süddeutsche
Eisenwerk der gleichen Epoche. Es scheint darin ein charakteristischer
Unterschied für die norddeutsche und die süddeutsche Arbeit in diesem
Metall zu liegen.
Ein anderer Wandkasten aus dem gleichen Besitz (Nr. 179) stellt
uns mit gemischt gothischen und Renaissancemotiven den Uebergang
aus der einen Kunstperiode in die andere dar. Man möchte indess nicht
blos gemischten Styl und gemischten Geschmack, sondern auch verschie -
dene Hände daran wahrnehmen, so dass man sich des Eindruckes nicht
erwehren kann, als ob die drei Einheiten von Zeit, Ort und Idee erst
später mit einiger Kunst und Gewalt an diesem Stücke hergestellt seien.
Vortrefflich sind dagegen die beiden grossen, ebenfalls neu hinzugekom -
menen Wandkästen Nr. 177 und 178 (gleichfalls Eigenthum der Herren
Bourgeois)', deutsche Renaissancearbeiten aus der Mitte oder der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts. Beide sind offenbar, wie die kleinen land -
schaftlichen, mit religiösen Figuren staffirten Reliefs in den Füllungen
erkennen lassen, des gleichen Ursprungs und bilden in Grösse und in
ihrem ausgezeichneten Bau Seitenstücke, obwohl der obere Theil insofern
Verschiedenheiten bietet, als er bei dem einen zurücktritt und das Haupt -
gesims von drei Karyatiden getragen wird. Dieses reizende Motiv der
architektonischen Construction, das wir sehr häufig an den Kästen unserer
Ausstellung finden, ist der heutigen Schreinerei gänzlich unbekannt. Schon
das 18. Jahrhundert hatte es aufgegeben.
22
Auch aus dem Besitz des Architekten Bäum er, Erbauer des Nord -
westbahnhofes, sind ein paar gute Möbelstücke hinzugekommen, ein grosser
Wandkasten aus der Mitte des 17. Jahrhunderts (Nr. 17.2) von der Art
jener früher von uns geschilderten, die architektonischen Bau mit einer
Zusammensetzung verschiedener Hölzer verbinden, und ein niederer, halb -
hoher Wandschrank (Nr. 183) aus dem Anfänge des 17. Jahrhunderts von
ganz vortrefflichem architektonischen Arrangement. Auch diese Art von
Kästen, die dem Gebrauche mancherlei Bequemlichkeit bieten und mit ihrer
geringeren Höhe sich sehr gut zum Aufstellen verschiedener Gegenstände
verwenden lassen, ist heute ganz aus dem Gebrauche verschwunden.
Minder bedeutend erscheint, was an Sitzmobilien hinzugekommen ist;
doch sind hier zwei charakteristische Stücke zu erwähnen: eine grosse
Truhe mit geschnitztem Vordertheil, die als viersitzige Bank sophaartig
gedient hat (Nr. 180, Eigenthum der Frau v. Littrow), so wie ein Fau -
teuil mit gebogenen Armlehnen und Beinen und mit geschnitztem, mit
einem Mascaron verzierten Rücken, der ganz noch die Form aus dem An -
fänge des 16. Jahrhunderts bewahrt hat, seiner Ornamentation nach aber
wohl erst etwas späteren Datums ist. Es ist Nr. 165, Eigenthum des Gra -
fen Na kö.
Wie bei diesem Sessel, der eine für unser Auge etwas bizarre Form
hat und dennoch, mit Ausnahme der geschnitzten Rücklehne, von ratio -
neller Art ist, so mag es uns bei manchem anderen Stück der Ausstellung
ergehen, dass es uns schwer, seltsam, vielleicht auch unpraktisch vor -
kommt. Zum Theil mag das richtig sein, für unsere Lebensweise wenig -
stens, die sich seit der Urväter Zeiten mannigfach verändert hat; zum
Theil scheint es nur so, weil uns der Gebrauch dieser Dinge abhanden
gekommen und ihre Anwendung unverständlich ist.
In Wahrheit lernen wir die Bedeutung und den Werth dieser alten
Möbel erst recht verstehen, wenn wir sie nicht in der Vereinzelung, wie
auf der Ausstellung, sondern in der richtigen Zusammenstellung, im En -
semble des ganzen Zimmers mit dem entsprechenden Hintergründe be -
trachten können. Davon vermochte unsere Ausstellung, wie es in ihrer
Natur liegt, allerdings nur Andeutungen zu geben.
Dennoch finden wir auch hiefür ein kleines Auskunftsmittel, das
unserer Phantasie zu Hilfe kommt, in der Ausstellung von Bilderwerken,
Holzschnitten und Kupferstichen, welche aus dem Kupferstichcabinet des
Museums den Originalmöbeln zur Ergänzung dient. Verschiedene Interieurs
reicherer und einfacherer Zimmer vom Anfang des 16. Jahrhunderts an
geben uns die Zusammenstellung und lehren uns den Gebrauch verschie -
dener Dinge. Auf den reizenden Stichen von Abraham de Bosse sehen
wir selbst die Dame bei der Toilette vor dem Spiegel sitzen, wir sehen
auf einem anderen Blatte eine feine Gesellschaft die reich besetzte Tafel
umgeben. Mit der Einrichtung des Bettes und des Schlafzimmers, dem
Waschapparat und ähnlichen Dingen aus verschiedenen Zeiten werden wir
vollkommen vertraut. Zudem geben uns zahlreiche Möbelzeichnungen, die
wir von den Kleinmeistern des deutschen Kupferstichs an bis auf die
steifen Zeiten des Empire und der gräcisirenden buntfarbigen Sessel Schin-
kel’s, selbst bis zur modernen französischen Ebenisterei verfolgen können,
Varianten aller Art und Richtung, so dass wir an ihnen einen vollen
Cursus der modernen Möbelgeschichte bildlich durchmachen können.
Auch das Absonderliche, wie es unsere heutige Mode liebt, findet
seine Stätte dabei, so z. B. ein vortreffliches Seitenstück zu unserem heu -
tigen Rauch- und Reitsessel in einem »bidet avec necessaire« oder »bidet
avec toilette«, ein Sessel, der in seinen Rücklehnen einen Schrank mit allen
Utensilien der Toilette birgt und auf der Lehne selbst einen Tisch
trägt, damit die Kammerfrau oder der Friseur alles Nöthige bei der Toi -
lette sogleich zur Hand hat. Damit unsere Damen den Herren gegenüber
nicht zu kurz kommen und auch etwas Apartes haben, empfehlen wir
dieses Stück den Herren Tapezierern, die damit etwas »ganz Neues« auf
den Markt werfen würden. Ohnehin lieben sie ja die Zusammenstellung
der heterogensten Dinge, z. B. des Stiefelknechts und des Kleiderhakens,
an einem und demselben Stück, wie weiland der berühmte Wiener Maler
Wehmüller — ich weiss nicht, ob das biographische Lexicon ihn kennt
— der auf ungarische Nationalgesichter reiste, einen Malstock mit sich
führte, der zu sechszehn verschiedenen Dingen diente, erstens zu sich
selber, d. h. zu einem Malstock, sodann zum Spazierstock, zum Sonnen-
und Regenschirm, zum Feldsessel und unter anderem auch zum Futteral,
um die Nationalporträts zu halten, die der Künstler in Wien fertig malte
und in Ungarn zur Auswahl feilbot.
Doch sei es ferne von uns, die Möbelausstellung des Oesterr. Mu -
seums nur aus diesem Gesichtspunkt unseren Gewerbsleuten und Indu -
striellen empfehlen zu wollen. Wir glauben aufrichtig, dass ihr eifriges
Studium den Sommer hindurch ihnen viel Frucht und Gewinn bringen
könne.
Verlag des k. k. Museums.
Bnchdruckerei von Carl Gerold’s Sohn in Wien.
■x.
V.
X.
m
v T 's'X X ’ r b-b ■ t v, V •
rrViV* ;•••'
x.-.•:;ch s?b ~ra?:vX’-\Y n:a. ;:c;
’
■ b;':: ■; : .... . ‘ : b v :.
■
bVX b.b 'SJ X; ,c
.b '.b ■ X« n;
av.X/. :a;bXX : v.
bM-
vvXi .* bb -jrXY - a. : .
■ ’ ■ , ., ", •. ’ V ‘ ■ , ' .
• ' . ■ . . irrt'-’
• .... . . . . .... X - - • s : • si - ■■ 4 - • IX- ■ - •- ? -
■ b ;j : / XI .V:/'. :a. ib. bä/:. • ex
ii
.. ■ . via Xi;;
j*l ... f bC
■ -a .. . ■,.
}lV
Xe Xba a ffXX i;; ~
. bXXX; . XI
< <■ 4 | i ;
■
- al rfs-v’/
sr'.ax wb..: .Xr ; XX eXX ' ai
jjy rav.-: .' niXaXXV :::XX- || leb/--Xpi
■ ; .. ; b ab I v a -b . . ba;
i
. . . . .IgcIIX .'. nb . ;rbj ni-L.aj
X j... ' ■ : . ' d : : r • üfJ nö 'cnr:. < s ik raX ?
.
'
fit-, ' .! :.;.rr.;a '
'b' ’' ’ ' :
' Vßv r; li3
Yi\ ... Ü I;
bb .7 ü . < : b'b:' T vv-pci'for&lb
'
.. . ... .