31 Deutschland ist jetzt Berlin tributär, der größte Rivale der Deutschen in Mitteleuropa, in Angelegenheit der Kunstmuseen und Alterthumskunde — Frankreich, ist beseitigt. Frankreich muss, das geht aus den Berichten des Herrn Vachot in der France und der »Revue des deux Mondes« über die Berliner Museen (Jahrgang 1882, Heft Januar und Februar) deutlich hervor, große Anstrengungen machen und neue Wege suchen, um Berlin zu er reichen oder es zu überflügeln. Jetzt wendet Frankreich seinen Museen größere Aufmerksamkeit zu. Am Trocadero wird ein Museum von Gyps- abgtissen mit dem Titel: »Musee de la sculpture comparee« eröffnet, welches vorzugsweise dem Mittelalter und der Renaissance gewidmet werden soll. Auch die neu aufgebauten Tuilerien werden zur Aufstellung eines Museums benützt werden. Wie das ganze französische Unterrichtssystem, insbesondere in den humanistischen Fächern an veralteten Uebeln leidet, so erweist sich auch die Organisation der Pariser Museen vielfach als ungenügend. In allen deutschen Staaten hat man sich daran gewöhnt, dem preußischen Unten ichtssysteme zu folgen. Auch in der Organisation der Landesmuseen wird man sich nach Berliner Vorbildern richten müssen. Das meiste Ver ständnis für Museenwesen findet man in den deutschen Staaten in Dresden. So \iel Verständniss für Plastik und Museen in Dresden zu finden ist, so wenig Verständniss ist in München zu finden; dort ist alles, was Museum und Plastik betrifft, seit dem Tode des größten deutschen Mäcenas unseres Jahrhunderts, König Ludwig, im Rückgänge. Seit Schwanthaler gab es keinen bedeutenden Bildhauer in München, der sich mit den Bildhauern in Dresden Hähnel, Rietschel, Schilling und mit den Berliner Bildhauern messen könnte. Was man in München deutsche Renaissance nennt, ist moderner Zopf, der die Künstler, welche sich der Plastik widmen wollen, verwirrt. Die Kunst, Gegebenes fortzubilden, haben seit Ludwig I. weder die Könige noch die Staatsmänner Baierns verstanden. Auch die baierischen Landtage haben sehr wenig Verständniss für alle Fragen, welche sich auf Museen und Kunst beziehen, ln München knüpft sich in jüngster Zeit die wissenschaftliche Reform der Museen an die Namen H. Brunn, Re be r und S ch au ss. In Baiern ist jetzt der wesent lichste künstlerische Fortschritt auf dem Gebiete der Kunstgewerbe zu verzeichnen, das an den großen Vortheilen des erweiterten deutschen Marktes participirt und unterstützt wird durch die Kunstgewerbeschule und den rührigen Kunsthandel. In Berlin hält man seit dem großen Kurfürsten daran unerschütterlich fest, das Errungene selbst in schwerer Zeit zu erhalten und das geistig und volkswirthschaftlich Errungene zum Ausgangspunkte für neue geistige und politische Erwerbungen zu machen.