226 Schnütgen: mehr vorhandenen Kreuze) dürfen ihrer flotten Behandlung wegen nicht unerwähnt bleiben. Nirgendwo aber zeigt sich diese hier deutlicher, als an der lebensgrossen Madonna, die dem Tilman Riemenschneider zu ge schrieben wird. Der Realismus, der sie bereits beherrscht, charakterisirt in noch viel höherem Maasse die Sculpturen der beiden folgenden Jahr hunderte, die hier auch nicht fehlen. Einige sind von tiefem Gefühl und vorzüglicher Durchführung, so eine Pieta mit weinendem Engel. — Unter diesen Figuren fehlt auch die sogen, kleine Plastik nicht. Sie ist vor nehmlich in den sogen. Athoskreuzen vertreten, d. h. in Kreuzen mit ganz kleinen geschnitzten Darstellungen aus dem Leben Christi, die von Mönchen auf dem Berge Athos nach alten byzantinischen Vorbildern seit Jahrhunderten handwerksmässig bis in die neueste Zeit angefertigt werden, um (zuweilen mit Reliquien versehen) als Devotionsobjekte zu dienen. Je weiter sie in der Zeit zurückreichen, desto strenger ist ihr Stil, obwohl sie dessen Eigenthiimlichkeiten bis jetzt zu bewahren gesucht haben. So häufig sie aus den letzten Jahrhunderten begegnen, so selten kommen solche vor, die sich durch ihre metallische Ausstattung als mittelalterliche Erzeugnisse mit Sicherheit zu erkennen geben. Griechische Kirchen scheinen sie noch in manchen Exemplaren zu besitzen. Bald sind es getriebene oder gia- virte Inschriften, bald Filigranornamente und Niellen, bald siebenbürgischer Emailschmuck, der sie bestimmt. Von Pilgern mitgebracht erhielten sie ihre in der Regel in Borten und Streifen bestehende Fassung gewöhnlich erst, wenn sie am Orte ihrer Bestimmung angelangt waren. Grösse und Anordnung sind bei ihnen verschieden, meistens haben sie zwei, zuweilen drei Querbalken, ausser diesen wohl auch noch zwei bimförmige Ausläufer, die seitlich zu jenen emporstreben. Diese Kreuze sind hier in ausserge- wöhnlicher Anzahl erschienen. Zwei derselben stammen aus dem Kloster Putna, das eine ausnehmlich gross mit an den Schmalseiten ringsumherlaufen den Inschriftfriesen und mit einem Metallknaufe, der in eine Hülse ausläuft, also das Aufstecken auf eine Tragstange, oder auf ein Postament ermög licht. Das andere ist mit Borten von Filigran-Email geschmückt, wie das XV. Jahrh. es in Ungarn und in den südlich angrenzenden Ländern zu so reicher und glänzender Entfaltung gebracht hat an liturgischen Gefässen, aber auch an Schmuckgegenständen. An einem besonders grossen und reich ausgebildeten Kreuze aus Dragomirna ist die Filigrantechnik ohne Schmelzwerk, aber in sehr entwickelter Weise verwendet, während ein anderes aus dem Dome von St. Pölten glänzenden Stein schmuck und fein durchgeführtes Niello aufweist. Auf einer Nachahmung dieser Kreuze und ähnlich behandelter Medaillons und Kapseln mögen die auf der Ausstellung auch nicht fehlenden Gebetnüsse beruhen, die fast alle in der sp'ätgothi- schen Periode enstanden sind. Die letzten von ihnen, die flandrischen Ur sprunges, sind vollendete Kunstwerke von höchster Feinheit, aber auch die