47 F. STÄDTEBAU Die Not des üioBstadl-Problenis ist in den Vereinigten Staaten gesteigerter als in Deutschland. Zwar sind die städtebaulichen Be mühungen trotzdem in den Vereinigten Staaten sehr viel jünger als hier. Aber dies liegt in der verschiedenen Geistesrichtung, die in beiden Ländern geherrscht hat. Das Wesentliche ist die ver schiedene Auffassung vom Staat, von der Öffentlichkeit und der Gemeinschaft. Die „Demokratie“ der Vereinigten Staaten war stets geneigt, den Staat so sehr wie möglich zu beschränken. Ein Be amter war stets ein nötiges öbel. Die uneingeschränkteste Freiheit des Individuums, und ganz besonders seines Eigentums, war Leit satz. So ist es zu sehr viel stärkeren Migbräuchen des Eigentums, insbesondere des Grundeigentums, gekommen als in Europa, be sonders auch als in Deutschland, wo die behördliche Wahrung öffentlicher Interessen eine alle Gewohnheit ist und wo also z. B. Baupolizei-Verordnungen Entwicklungen verhindert haben, wie sic jetzt in Amerika eingetreten sind. Die Verkehrsnöte New Yorks oder Chicagos haben Dimen sionen angenommen, von denen sich ein Einwohner Berlins nichts träumen lägt. Es ist klar, dag das Entstehen von Turmhäusern in engen, durch Plätze nicht unterbrochenen, Stragen eine schwere Gefahr ist. Wenn nach Schlug der Arbeitszeit um die gleiche Stunde mehrere Hochhäuser des gleichen Viertels ihre je 5000 bis 10 000 Menschen und mehr auf die Sfrage senden, so ist kein Ver kehrsmittel imstande, diese Massen zu bewältigen*!. Die unerträglichen Zustände, die die Ansammlung von Hoch häusern und der sich plötzlich entwickelnde Autoverkehr zugleich hervorgerufen haben, haben dann zur allgemeinen Aufnahme des Städtebaugedankens in den Vereinigten Staaten geführt. Alle Grog städte ohne Ausnahme sind jetzt bemüht, das Versäumte nachzu holen. Das ist aus den angeführten Gründen viel schwerer als in Europa. *) In Heft IV 1925 von „Kunst und Künstler" (Aufsatz von Edmund Schüler über die Hoctihäuser in den Vereinigten Staaten) ist das Hochhaus problem von dieser und von anderen Seiten näher beleuchtet worden.