48 Pi'ozeß ihre breite (irundleguiig. Slowakische Keramik oder lextilkimsl, russische Holzarchitektur wurzeln in einer gewiß auch völkisch bedingten Handwerklichkeit, die ihre Kachahmung außerhalb dieser Bedingtheit zu einem sinidoscn Unterfangen macht, ln ihrer natürlichen Umgebung sind sie auch ökonomisch berechtigt. Fragen wir nach solchen Bedingungen einer österreichischen Formen- gebung, so verrät die historische Fnlwicklung eine nicht zu leugnende Vorliebe für Reichtum und Üppigkeit, für ein Schwelgen im Lnnötigen und für eine Schaustellung des Schmückenden. Alle Form spiegelt hier die Sinnlichkeit des Menschenschlages und die f ppigkeit der Landschaft. Daß dieses prahlerische .Ausquellen ins Maßvollere gebändigt erscheint, wenn wir es dem stammverwandten Bayerischen verghüchen, ist volks kundlich und historisch so wohl begründet wie die Verfeinerung des allgemein Österreichischen im Wienerischen. Hier ist der Gegensatz .städtischer — und noch dazu residenzstädtischer —■ Kultur zu ländlicher maßgebend; nicht nur positiv als Geschniacksschuhmg und .Vbneigung gegen alles Exzessive, sondern auch negativ als Loslösung von jenen befruchtenden V erbindungen, die einer ruhenden J radition eignen. Der Hang Wiens zn knapper Eleganz und rationaler Klarheit in manchen Zeiten ist nicht der .Vusflnß unmittelbarer Neigung, sondern Ergebnis zeitbedingter Strömungen, Alle kulturelle Entwicklung läßt W altenlassen von Kräften und ihr Überwinden abwechseln: nüchterne Völker haben ihre frohen Feste und üppig gewohnte führen von Zeit zu Zeit einen Fastlag ein. Auch die Preußen haben in einem schwülstigen Barock maniriert und die Franzosen ihren Hang zum anmutig Spielenden zu ihrem Henri HL oder Louis XVI. ernüchtert. Vucli unser Verlangen nach zweckbestimmter Einfachheit ist, wie andere Beiträge zu diesem Heft dargelegt haben, zeitbedingt — sozial und wirtschaftlich, .Vber kulturell wird aus solcher Not eine Tugend nur, wenn wir den Vmrgang als innerliche Klärung und nötige Ergänzung angestammter Art geistig begreifen. Leben heißt anders werden und sich gleich bleiben; jeder Tag kann eine Reinigung vom gestern sein. Die Periode „guter, billiger“ Formgebung ist eine Gelegenheit zur Selbst besinnung; auf dem entlasteten Grund wird der alte Stamm dereinst wieder die Möglichkeit finden, seine innersten Triebe zu entfalten.