senden, der vom Universum durchdrungen ist und dieses selbst im freien Verkehr durchdringt, durch Ausdehnung wie im Werk „Kleine Nachbarschaft". Dort füllen die gezeichneten Worte eine Landschaft, in der aus dem Hinterkopf, dem Ohr eines Mannes eine spitze Feder ragt, die durch ihr Kratzen auf ei nem Blatt Papier den Anfang einer Spirale schafft, die ihn mit dem Mond verbindet. Die Bild-Dichtung führt bei Günter Brus zur „Ausweitung" des Sub jekts, zur Entfaltung hin zu Natur und Energie, die uns ebenso definieren wie Organe und Knochen. Die geschriebenen Sätze sind grundlegende Ele mente der Absicht dieses „Handlungsgedankens". Dichtung und Bild, verschmolzen in der Linie, ge ben dem Wissen Form, das der Kunst innewohnt, die sich nie lediglich mit der Anordnung von Gedan ken begnügt. Herzstück von Günter Brus' künstlerischem Entwurf sind die Erfahrungen der Spannung zwischen Figur und Sprache, Materie im schöpferischen Wechsel spiel. Es lässt uns jene Zeit erleben, in der wir uns im Wechselspiel zwischen Substanz und Wortschatz befinden und das Imaginäre dadurch lebendiger ist, Träger aller Hypothesen, aller möglichen Virtualitä ten von Bildern, inmitten der unausgesetzten Be wegung des Wirklichen zwischen dem Unaussprech lichen und dem dennoch Sprache Schaffenden. Es mahnt daran, dass die Schöpfung niemals die Formel eines Gedankens, sondern die ambivalente, widersprüchliche, gefährliche und bedingte Formu lierung des Denkens ist. Es mahnt daran, dass es keine Worte, keine Bedeutungen ohne Körper zu deren Äußerung geben kann. Inmitten all der auf meinem Tisch verstreuten Bil der, belebt durch das ganze Hin und Her der Ge fühle, fällt mir ein Text von Pierre Reverdy ein, der das Gebiet, die Erfahrungswelt, in die mich das Werk von Günter Brus stets führt, behandelt. „Gestern noch betrachtete ich das finstere Leuch ten des aufgewühlten Himmels, gespiegelt in der Oberfläche eines schwarzen Teichs, in den in hasti gen Trauben Tintentropfen fielen. Stets Tintentrop fen, was auch geschieht. Ich erwachte erst, starr vor Elend und mit eisigem Nebel bedeckt, als man kam, um mir mitzuteilen, dass mein bester Freund ermordet worden war. Man hatte seine Leiche im Keller eines schäbigen Hotels entdeckt, das nur von völlig mittellosen Menschen freguentiert wurde. Der Polizeikommissar fragte mich, ob ich die Leiche identifizieren könne. Ich sah sie durch den Türspalt. Die Wunde war wahrlich ein drucksvoll. Vom Adamsapfel bis unter den Nabel war er offen - wie ein Buch." 36