Schäften und Balken, an den Säumen der Borten und Einsätze. Diese gerad linigen, unter rechten Winkeln abgestuften Ornamente brachten aber — abgesehen von ihrer geringen Gestaltungsfähigkeit — noch den Nachtheil mit sich, dass überall dort, wo zwei verschiedenfarbige Felder in der Richtung der Kette aneinanderstiessen und die beiderseitigen Schussfäden in Folge dessen in entgegengesetzten Richtungen umkehren mussten, ein klaffender Spalt entstand, wie er noch an den heutigen Wirkereien der Südslaven zu sehen ist, während er an den Gobelins sorgfältig vernäht wird. Solche Unter brechungen in der Textur beeinträchtigten jedenfalls die Dauerhaftigkeit der Arbeit, Hessen sich aber vermeiden, sobald man rechtwinkelige Abstufungen an den ornamentalen Configurationen vermied und den Schussfaden schräg über die Kette hinführte. Dadurch wurden die Unterbrechungen zwischen je zwei benachbarten Feldern nur auf die Breite eines Schussfadens reducirt, so dass sie im dichten Gefüge der Textur kaum zu bemerken waren. Es wurde aber zugleich die Darstellungsfähigkeit der Technik unendlich erweitert, sobald man sich nicht mehr auf geradlinig umschriebene Ornamente zu beschränken brauchte, sondern beliebig abgerundete Conturen ziehen durfte. Selbst auf dieser Stufe, die wir an den taurischen Funden constatiren können, war die Technik der Wirkerei noch einer höheren Ausbildung fähig, und zwar in Folge der ausserordentlichen Schmiegsamkeit und Beweglichkeit des hiezu verwendeten Instrumentes. Man hat zwar bisher kein solches gefunden, das man mit Sicherheit als Wirknadel bezeichnen könnte, aber wir werden kaum irren, wenn wir demselben mit Rücksicht einerseits auf seine subtilen Aufgaben, anderseits auf die Nothwendigkeit, einen möglichst langen Faden aufzunehmen, etwa die Gestalt einer feinen Filetnadel geben. Mittelst einer solchen Wirknadel war man nun im Stande, nicht blos durch Umschlingung der Kettfäden farbige Flächen nebeneinander zu reihen, sondern auch über fertig gewirkte Flächen gleichsam stickend hinwegzugehen und zu zeichnen. In dieser Weise finden sich namentlich durch weisse Leinen fäden auf Purpurgrund die mannigfachsten Ornamente, ja selbst Modellirungen menschlicher und Thierfiguren hervorgebracht (Taf. X, XI, XIII). Dass wir es hiebei nicht mit einer eigentlichen Stickerei'), sondern in der That nur mit einer Arbeit der Wirknadel zu thun haben, beweist der Umstand, dass in zahlreichen Fällen derselbe Faden, der an einer Stelle ein weisses Peld eingewirkt hat, nun zeichnend über eine gewirkte Purpurfläche hinweggeht, *) Wie unter Anderen Bock meint a. a. O., S. 9.