Die Malerei. 71 Technik ein höheres Ziel wies, fo geht die Genremalerei dort grofsentheils in dem technifchen Ziele auf. Sie ifl zunächd eine Domäne der malerifchen Ge fchicklichkeit. Die bedeutenden Ausnahmen hievon find meid von älterem Datum. Nur feltenev erhebt fich das Genre zu einem inhaltsreicheren Situationsbild, das durch Energie und humoridifche Schärfe der Charakteridik oder durch Ernd des Gefühles, durch dimmungsvolle Haltung über die gewöhnlichere Behandlung diefer Gattung hinausginge. Das vorzügliche Bild von Jofef Lies, „Der Feind naht„ id eben nicht mehr das Werkeines lebenden Meiders. Franz Vinck’s „Einzug eines Schützenkönigs“ übertrug die achaifirende Manier des Henri Leys mit grofsem Gefchicke auf eine heitere Epifode des guten altniederländifchen Bürgerlebens. Gegenüber diefen hellen farbigen Bildern breitet fich ein tiefer Ernd über Condantin M eunier’s „Begräbnifs eines Trappiden“ aus. Die Stim mung diefes Bildes id in malerifchem wie in poetifchem Sinne gleich bedeutfam. Intereffant id es, die Belgier fich einmal auch zur Allegori e rückwenden zu fehen, in welcher eind die flandrifche Kund fich fo vielfach erging. Man weifs, wie fiegreich das üppige P'leifch von Rubens auch in diefes abdracte Kundgebiet eindrang. So kühn geht Eugen Smits in feinem „Gang der Jahreszeiten“ aller dings nicht ins Zeug ; gleichwohl weht uns aus diefem edel componirten Bilde, was Umriffe und Stellung der Figuren, ja auch die coloridifche Haltung betrifft, fo ein Hauch aus dem XVII. Jahrhunderte der flandrifchen Kund an. Wenn auch nicht an das Gröfste, fo gemahnt uns das Bild doch an das Gute jener Zeit. Die religiöfe Hidorie id durch eine fehrwürdig gehaltene Mater dolorofa von Meunier ziemlich vereinzelt vertreten; wo bringt fond Belgien feinen vielen Katholicismus in der Kund unter? Wie Anton Jofef Wiertz in feiner ungeheue ren Leinwand den Engeldurz dardellt und die biblifche Mythe nach feiner Weife ins ungeheuerlich Phantadifche emportreibt, deht diefem Berichte nicht an, weiter auseinanderzufetzen. Es war wohl lehrreich, jenes riefige Gemälde und die Photo- graphienfammlung nach den Hauptwerken von Wiertz auf unferer Weltausdel- lung zu finden — übrigens gehört aber die nähere Beleuchtung diefes bereits 1863 verdorbenen Malers, der fich felbd eigenfinnig weit ab vom Wege dellte und bei dem Genialität und mit Methode betriebener Wahnfmn hart aneinander grenzen, fchon völlig der Kundgefchichte an. Sowie die belgifche Gefchichtsmalerei fich an der porträtartigen Auffaffung kräftigt und von ihr Bedimmtheit und Lebensfülle leiht, fo erhebt fich das Por trät felbd in fo vornehmer Nachbarfchaft zu einer edleren und bedeutfameren Gattung. Das Erbe und der Kundfegen der alten flanderifchen Maler fcheint da noch immer nachzuwirken; wenn uns auch bei Gallait in dem Porträt des Staatsminiders Dumortier und jenem des Herrn Saint - Paul de Singay ganz moderne Menfchen entgegentreten, fo find de doch mit jener malerifchen Beob achtungsgabe erfafst , die fich in Flandern und Holland von Van Dyk, Frans Hals etc., wenn auch mit fehr veränderter Technik bis heute in gerader Linie ver erbt zu haben fcheint. Noch immer find die hervorragenden Belgier die Maler des Individuellen, aber mehr in feiner ruhigen Erfcheinung, als in feiner adtiven Aeufserung; daher der eminente Beruf zum Porträt. Hinter den Franzofen mögen de hierin an Verve und geidreich kühner Behandlung, nicht aber an bedimmter Kraft der Individualifirung zurückdehen; die Perfönlichkeit tritt klar und voll aus dem Bilde in felbdredender Gegenwart. Alexander Robert’s Porträt des dänifchen Malers Hägeldein, de Keyfer’s Porträt des Sir John Murray Naesmyth und andere wären unter den wenigen, aber trefflichen Bildniffen in den belgifchen Sälen da zunächd zu nennen. In der Landfchaft der Belgier id es auch wieder die Technik in beffe- rem Sinne, welche die Wirkung meidens entfcheidet. Ein klarer und fcharfer Sinn für locale Motive und Naturerfcheinungen , die bei ihrer nicht allzugrofsen Mannigfaltigkeit um fo genauer dudirt werden können — datt der eigentlichen