74 Dr. Jofef Bayer. da mehr gut italienifch, als gut gemalt ausfallen. Wenn die Gedankenmalerei die Kunft abftracft und unlebendig macht, wie wir es in Deutfchland vielfach erfahren haben, fo geräth fie durch die Tendenzmalerei in der Regel in leichtfertige und forglofe Behandlung. Das einige Italien fpiegelt fich eben nicht vortheilhaft in der Malerei ab, und namentlich, wo fie dem Re galantuomo eine perfönliche patriotifche Huldigung bringt, fei es bei feinem Einzuge in Rom (Sagliano in Neapel), oder in dem Thronfaale mit Garibaldi (Bufi aus Bologna) oder bei der Inauguration der herculanifchen Ausgrabungen (Eugen Tano aus Florenz), kommen wir über blofse Cavalcaden oder Ceremonienfcenen nicht hinaus. Es fcheint diefem Patriotismus der Palette einfach zu genügen, den populären König und die modernen Helden der Nation nur recht häufig dem Volke zu zeigen, nicht aber fie in wirklich bezeichnender und bedeutfamer Adtion vorzuführen. Vielleicht ift es erft fo beffer, denn fonft käme gewifs ein Zug theatralifcher Aufregung hinzu. Die Erfüllung der politifchen Wünfche der Nation ift noch von zu jungem Datum, als dafs die Kunft fie fchon mit ruhiger Hand, aber grofsem Sinne erfaßen und darftellen könnte. In Allem, was zur malerifchen Technik gehört, erfcheint das moderne Italien faft wie eine Kunftfiliale von Frankreich ; nur find die technifchen Mittel häufig mehr nach der allgemeinen Wirkung abgefchaut, als mit gründlicherem A erftändniffe und ernfterer Behandlung benützt. Das Raffinement der neufranzö- fifchen Malerei wirkt deutlich herüber, weniger die zugrundeliegenden gröfseren Kunftbeftrebungen. Zunächft zeigt fich diefs bei den auch in Italien beliebten Nuditäten. Es wäre ganz verkehrt, gegen das Nackte in der Kunft zu polemifiren. Die Auf lehnung gegen dasfelbe möge für alle Zeiten den Päpften der Gegenreformation, die über das viele nackte Fleifch des Cinquecento plötzlich erfchraken, fowie dem ehemaligen preufsifchen Cultusminifter Mühler neidlos überlaffen fein. Aber der ehrliche künftlerifche Cultus des Nackten ift doch wefentlich verfchieden von jener pikanten Schauftellung desfelben, die ausdrücklich auf den lüfternen Efiedt losarbeitet. Die nackte Phryne, die, wie von dem eigenen wollüftigen Blute gejuckt, in coquet herausfordernder Stellung mit jenem unfagbaren metier- mäfsigen Lächeln dafteht, diefe frivole marmorne Verfuchung befand fich bekannt lich in erfter Reihe unter den italienifchen Sculpturen, und auch Clefinger hat unter den Franzofen diefelbe Dame ebenfo fplitternackt, aber dabei im reichften Gemmen- und Goldfchmucke vorgeführt, der wieder eine kleine Specialausftellung für fich bildete. Bezeichnend ift es, dafs die moderne Kunft der romanifchen Völker mit Vorliebe zu diefer Geftalt zurückkehrt; auch die nackten Fräulein, die als „Bachantinen“, als „Nymphen nach dem Bade“ oder auch ohne jeden mythologifchen Vorwand in allen Sälen der Kunfthalle, mit Ausnahme der deutfchen. im Waldesgrün des Ueberfalles gewärtig, herumlagen, gehören zu demfelben Gefchlechte. So auch das nach dem Bade im Walde eingefchlafene Mädchen von Cattaneo in Rom, das allerdings feine unläugbaren malerifchen Verdienfte hat. Eine „Idylle aus Theben“ vonViotti in Turin gibt uns wieder eine Nudität unter archäologifchem Vorwände. Weil in egyptifchen Wandgemälden aus der Zeit der Rhamfefiden die hockenden, harfenfpielenden Sclavinen bei den Hof- feften völlig nackt erfcheinen, fo glaubte der Künftler in feinem, in affedlirtem Archaismus mit einem Hieroglyphenrahmen verfehenen Bilde hievon die paffende malerifche Nutzanwendung machen zu können. Uebrigens ift fein Bild wirkfam beleuchtet und die Geftalt der jungen Sclavin im fonnigen Lichte, ganz in der Weife franzöfifcher Technik trefflich modellirt. Meiftens merkt man es diefen Damen geradezu an, dafs fie fich ad hoc, nämlich, um fo gemalt zu werden, ab- fichtlich erft ausgezogen haben. Buchftäblich ift diefs bei der Brautfchau von Rob. Fontana in Mailand der Fall. Ich weifs nicht, wo in Rufsland ein folcher Gebrauch exiftiren foll, nach welchem fich die Bräute vor ihrer Vermählung unbekleidet den prüfenden Blicken ihrer Cameradinen zeigen. Abgefehen davon