Section II. Baumwollenwaaren. 501 Die Baum Wollindustrie hat seit der Pariser Weltausstellung im Jahre 1867 einen sehr beträchtlichen Aufschwung genommen, welcher zum Theil in den verbesserten Maschinen, besonders zur Verarbeitung der geringeren Arten von Baumwolle, ferner in der vortheilhafteren Aus nutzung der Abfälle und der hierdurch ermöglichten Herstellung billi gerer Qualitäten, endlich in der Verwendung zu anderen industriellen Zwecken, wie z. B. für die Seilerei, Fischerei u. s. w. seinen Grund hat. Ausserdem werden baumwollene Fabrikate, ihrer grossen Billigkeit und Dauerhaftigkeit wegen, für Artikel benutzt, welche bis dahin fast nur aus Leinen gefertigt worden sind. Eine ganz besondere Aufmerksam keit wurde der Verbesserung und Vermehrung der Maschinen zugewen det. Fast in allen Ländern ist die Zahl der Spinn-und Webmaschinen gestiegen, ohne dass die Zahl der Arbeiter und der Dampfkräfte in gleichem Maasse zugenommen hätte. Die höheren Arbeitslöhne und Kohlenpreise veranlassten vielmehr die Industrie, den Maschinen eine grössere Leistungsfähigkeit zu geben und Vorrichtungen zu erfinden, um entweder die Dampfkraft stärker auszunutzen, oder mit demselben Kohlenquantum eine grössere Dampfentwickelung zu erzeugen. Am deutlichsten ist dies in England erkennbar, wo sich in den letzten zehn Jahren die Zahl der Spindeln um 7% Milk, die der mechanischen Webstühle um 40 000 vermehrte, die aufgewendete Dampfkraft sich aber nur um 6000 Pferdekraft steigerte, während die Arbeiterzahl sich sogar um 1500 verminderte. Nicht minder ergab sich eine Ver mehrung in Consumtion des Rohstoffes aus dem Umstande, der gleich falls einen wichtigen Fortschritt der Industrie enthält, dass die Hand stühle immer mehr den mechanischen Stühlen (Kraftstühlen) weichen müssen und dass eine grosse Anzahl von Geweben (namentlich die Buntweberei, d. h. die aus farbigen Garnen erzeugten Stoffe), welche bisher fast nur — mit Ausnahme Englands — auf Handstühlen gefer tigt wurden, jetzt zum grösseren Theile auf Kraftstühlen gearbeitet werden. Die seit dem Jahre 1867 vielfach verbesserten Tambourirmaschinen und die seitdem neu erfundenen Stickmaschinen eröffneten auch dieser Industrie — ganz besonders für Gardinenstoffe — ein neues Feld und werden dazu beitragen, dass die Handstickerei mit der Zeit fast ent behrlich wird. Für die Färberei und Kattundruckerei sind die neueren Verfahrungs- weisen für Bleicherei und Appretur, die stets grössere Anwendung viel farbiger Maschinen zur Vermeidung des Handdrucks und die neu ent deckten Farben aus den Theerproducten von grosser Wichtigkeit. Das Anilinschwarz findet in allen Kattunfabriken allgemeine Verwendung, ebenso Anilinblau und Anilingrün. Auch die Methylanilinfarben haben sich weiten Eingang verschafft, sowie die Anwendung des Corallins für baumwollene Stoffe. Von besonders hervorragender Bedeutung für die Baumwollindustrie ist der Fortschritt der chemischen Technologie,