Chlor, Brom, Jod, Fluor. Von Dr. Ernst Mylius in Ludwigshafen. Die Anwendung, welche die chemische Industrie von den drei ein ander nahe stehenden Halogenen Chlor, Brom, Jod macht, wird ganz cturch die Energie bedingt, mit welcher dieselben sich mit den elektropositiven Elementen, zumal dem Wasserstoff, verbinden. In dieser Hinsicht steht das Chlor unter den dreien oben an. Die umfas sendste Anwendung des freien Chlors ist daher auch die als bleichendes und desinficirendes Mittel. Seine Wirksamkeit gründet sich hier im Wesentlichen auf seine ausgezeichnete Verwandtschaft zum Wasserstoff, welche unter Umständen selbst grösser als die des Sauerstoffs ist. Die grössere Verwandtschaftsenergie, welche das Chlor vor dem Brom und Jod voraus hat,- lässt es auch ein bequemes Mittel erscheinen, die beiden letzteren Halogene zu gewinnen. In der That beruht die Darstellung von freiem Brom und Jod im Wesen auf der Zersetzbarkeit ihrer Wasserstoffverbindnngen durch Chlor. Eine weitere chemische Eigen schaft des Chlors ist die, mit den meisten Metallen lösliche Verbin dungen zu bilden. Dies Verhalten kann um so leichter ausgebeutet werden, als die Chlorwasserstoflfsäure, welche man als industrielles Nebenproduct betrachten kann, ein sehr billiges Mittel abgiebt, lös liche Chloride fast sämmtlicher Metalle darzustellen. Auch freies Chlor wird als lösendes Agens, z. B. zur Reinigung und Gewinnung edler Metalle, mit Ausnahme des Silbers benutzt. Brom und Jod sind dem Chemiker weniger durch bedeutende chemische Anziehung werthvoll, als gerade durch die geringe Kraft, mit welcher sie in den Verbindungen mit elektropositiven Elementen ihren Platz zu behaupten vermögen. Kommt schon, wie erwähnt, ihre schwächere Verwandschaftsenergie bei ihrer Darstellung in Betracht, so ist auch ihre V er wendun g grösstentheils dadurch bedingt. Die Photo graphie besonders ist auf der Unbeständigkeit des Bromids, Jodids (und Chlorids) des Silbers basirt; wissenschaftliche Chemie und I arbenindustrie benutzen sie in ausgedehntem Maasse wegen der Leichtigkeit, mit welcher Bromide und Jodide der Kohlenwasserstoffe und Metalle Wechsel-