DER GARTEN HM HAUSE genug, eine üppige blühende Pflanzenlaft über hängen und im Winde pendeln zu laffen. Oft ift der Hof fchmal und klein, aber der Weinftock am Haufe gewährt eine Laube und ein paar Oleanderftöcke vervollftändigen das faft klöfterlich keufche Bild eines Hofgartens. Haus ftoßt an Haus; wenn nicht Schulter an Schulter fteht, fo zieht eine Mauer von einem zum anderen; aber die Mauern überragend, neigen fich Baumwipfel über die Straße und überfchütten den Vorbeiwandemden heimlich mit Hausgartenfehnfucht. In der Regel ift es aber fo, daß der Vorgarten der einzige Blumengarten und Rubeaufentbalt der Bewohner ift. Das Grundftück hinter dem Haufe dient der Obftkultur oder fonftigen nütjlichen Zwecken. Für die Anlage und Geftaltung des Vorgartens entfcheidet in erfter Linie das praktifche Bedürfnis. Man will darin leben können, man will Blumen ziehen oder eine nütjliche Pflanze, man will vor allem keinen verfügbaren Platj unbebaut laffen. Wie gering immerhin der pofitive Ertrag einer folchen Anpflanzung ift, was er dem Menfchen in materieller Hinficht gibt, ift unberechenbar. Er ift eine Quelle von Dafeinsfreuden. Die Zweckmäßigkeit, die feiner Anlage und Willkür zugrunde gelegt ift, ftempelt ihn zu einem Stück unbewußter Architektur, die in jedem befonderen Fall anders ift. Aber die zu Hilfe gerufene Natur verwendet die Vielheit von Kleinigkeiten zu einem Ganzen, indem fie mit ver« fchwenderifcher Freigebigkeit von Haus zu Haus, von Zaun zu Zaun das Grünen und Blühen verbindet und unter diefer köft» liehen Fülle die Ärmlichkeit und Gebrechlichkeit der alternden Wohnhäufer fchonend überdeckt, fo daß fie mit ihren weißen Wandflächen, ihren graugrünen Schindeldächern und zerbröckelten Garten» und Futtermauern, ihren verwackelten Steinftiegen und Holzzäunen durchblicken, wie die Grundlinien einer geiftvollen Gartenarchitektur, die die ganze blühende Gartenherrlichkeit wie ein Blumentopf zufammenhält. Und betritt man ein Hausteilchen nur der Nütjlichkeit, fondern fie beftätigen die Schönheit. Das Abendlied der Amfel vollendet die Harmonie, ebenfo wie das Raufchen des Baches und das Raunen des Windes. Es ift eie» mentare Mufik, wie die Vor» gartenidylle elementare Kunft ift, Dinge, von denen das dürf» tige Schema des modernen Vor» gartens nichts weiß. □ Nicht immer ladet der länd» liehe Vorgarten breit und be» bäbig vor dem Haufe aus, um feitliche Gebüfcbe, einen ftatt» liehen Baum, Blumenrabatte und einen Baum zu faffen. Oft liegt infolge des Terrains das Haus erhöbt, eine fcbmaleSteintreppe führt feitlicb zum Eingang em= por und ein fcbmaler nach der Straße hin untermauerter Strei» fen zieht unter den Fenftern bin, kaum fo breit, einen Men» feben durchzulaffen, aber breit den Zaun zu diefer gefamten Vorgartenkultur, fo ift es wieder überrafebend, wie übersichtlich und zweckvoll das einzelne zurecbtgeftellt und der Benü^ung oder auch nur dem äftbetifeben Genuß entfprechend ift, als hätte ein febr poefievoller Baukünftler alles bis ins Kleinfte angegeben. Das ift natürlich durchaus nicht der Fall gewefen. Die Dinge find entftanden, wie fie der Notwendigkeit gemäß entfteben mußten. Sie find wild gewachfen, aber die Natur bat fich felbft als Künftlerin erwiefen. Trotj aller Lieblichkeit ift aber leider auch zu erfehen, daß der Zuftand im Abfterben ift. Dem Auge noch einigermaßen entzogen, verfällt diefe alte Dafeins» form, namentlich im Bannkreis der großen Stadt immer mehr und mehr der Verwabrlofung. Es ift kein Wohnen mehr in diefen Häufern, es fei denn mit Verzicht auf die aller primärften Kultur» anfprüche. Schon da und dort find Lücken geriffen und Neues an Stelle des Alten getreten. Das ift wohl ein natürlicher und gefetjmäßiger Vorgang, in dem an und für fich nichts betrübendes liegt, aber wie fieht diefes Neue aus! Die neuen Häufer haben in diefen Gegenden wohl auch Vorgärten, allein fie find, wie angedeutet, ein erbärmlicher Schatten gegen die alten. Sollte es auf keine Weife möglich fein, die verfchwindende Schönheit durch einen annähernden neuen Wert zu erfetjen? Wir dürfen uns darüber keiner Täufchung, keiner fentimentalen Lüge hingeben, daß diefe alten Vorgärten, deren fich noch unter Auge erfreut, nie wieder neu erfchaffen werden. Sie werden verfchwinden und nie wieder erfcheinen. Es bat keinen Sinn, fie nachzumachen, denn die Nachahmung wird niemals das Rechte treffen; niemals wird die Abfichtlichkeit jene ungezwungene und doch gefetj» mäßige Natürlichkeit erfehen können. Aber die Gefe^mäßigkeit, der auch jene lieblichen Vorgärten unterliegen, wenn die Kraft des Herzens und das künftlerifcbe Vermögen ftark genug find, werden auch die neuen Straßen ein herrliches Gartenbild dar» ftellen, wenn gleich es durchaus anders befchaffen fein wird. 21