vermag, vor allem durch den jetjt febon zu verfpürenden fegens» reichen Einfluß auf die Kunftfchulen. Diefe Wirkfamkeit hat den mit Feigheit gepaarten Haß der Dunkelmänner mächtig entfacht, die aus Mangel an fachlichen Argumenten die Zuflucht zu fchmutjigen Kampf mitteln nehmen, zu perfönlichen Anwürfen und Gehäffigkeiten,*) wofür fie in einem Berliner Schmähblättchen ein willfähriges Organ gefunden hatten. Diefer Gegner fcheint der Meinung zu fein, daß Muthefius als Regierungsbeamter und akademifcher Lehrer die Auf gabe habe, die Gewinnintereffen einzelner rückftändiger Fabrikan tengruppen zu fchütjen. Dem gegenüber ift feftzuftellen, daß es für die Intereffen des deutfehen Kunftgewerbes und der Kunftfchulen ein wahres Glück ift, daß ein Mann im Amte fleht, der den weiten Blick und die Initiative einer gereiften künftlerifchen Erfahrung befitjt, und die Kunftpolitik von hoben Gefichtspunkten aus för dert. Wenn es noch eines überflüffigen Beweifes für die innere Berufung des Hermann Muthefius bedarf, fo müffen neben feinen Schriften und Lehren auch feine baukünftlerifcben Schöpfungen geltend gemacht werden. In feiner Berufstätigkeit als Architekt bat Muthefius in der Nähe Berlins eine Reibe von Familien- wobnbäufern gefebaffen, die, teils vollendet, teils in der Vollen dung begriffen, den vollwertigen Niederfcblag feiner bochgefinnten künftlerifchen Anfchauungen darftellen, und vor allem die foge- nannte Architekturmacherei, die beute noch in Deutfcbland fo kraß und aufdringlich wirkt, zugunften der edlen Sachlichkeit und Gediegenheit vermeidet. Für die Lage der Kunft und des Kunftgewerbes in Deutfcbland ift es bezeichnend, daß die Allge meinheit und fetbft ein großer Teil der Fachkreife noch nicht die vornebmften Kräfte kennt, die feit Jahren an der Entwicklung arbeiten. Deshalb foll einmal getagt werden, wer Muthefius ift, und wer feine Feinde find. Muthefius, der in publiziftifcber, amtlicher, pädagogifeber und baukünftlerifcher Tätigkeit nur Hervorragendes geleiftet, hat nicht nur das eine Buch gefebrieben, das ich oben erwähnt habe. In feiner Eigenfchaft als teebnifeber Berichterftatter an der Kaiferlichen Botfchaft in London bat er ficb nicht, wie feine Vorgänger, auf die Anfertigung der von ihm ge- wünfehten Berichte befchränkt, fondern die Zeit dazu benütjt, ein monumentales Werk über das englifche Haus zu febaffen, das felbft in der englifchen Literatur nicht feinesgleichen bat. Das dreibändige Werk ift eine Kulturleiftung allererften Ranges und bat in Deutfcb land zum erftenmal eine klare Auffaffung der fachlichen Grundlagen im Hausbau gegeben, die in England längft wirkfam find. Die Be deutung diefer Arbeit, die keineswegs zur Nachahmung des eng lifchen Vorbildes auffordem wollte, kann man beute febon in der deutfehen Architektur verfpüren, die feitber eine ausgefprochene Tendenz zur organifeben und fachlichen Geftaltung aufweift. Das Werk von Muthefius bildet geradezu einen Markftein der modernen Architektur in Deutfcbland. Ferner bat Muthefius zu jener Zeit in dem Werke: »Die neuere kirchliche Baukunft in England« mit grund legenden Studien und zum erften Male die in den Entwicklungs keimen fo reiche Baukunft der Sekten gefchildert und endlich ein Werk über die »Englifche Baukunft« (großes Lichtdruckwerk mit ausgedehntem Text) veröffentlicht. In einer kleinen, leider zu wenig verbreiteten Schrift, »Stilarchitektur und Baukunft«, bat Muthefius das Wort gemünzt, daß die traurigen Arcbitekturverirrungen feit der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts ebarakterifiert. Ein anderes, ebenfalls bei Diederichs erfebienenes Buch, »Kunft und Kultur«, verbreitet ficb über die analogen Rückftände unferes Kulturlebens, und in ftrafffter Form deutet das neue, oben er wähnte Büchlein die inneren Beziehungen zwifeben Kunftgewerbe und Architektur an, fowie die lebendigen Punkte, auf denen die erfolgreiche Entwicklung des modernen Kunftgedankens beruht. L. *) (Siebe auch Seite 198 diefes Heftes.) □ SCHÖNHEIT ODER WAHRHEIT? EINE STUDIE VON FRANZ DROBNY (FORTSETZUNG) V. cb blättere im Laokoon. Nicht leicht bat ein Werk eine fo tief greifende Änderung der Wertfcbätjung erfahren, als diefes. Wie vorabnend klingt der Sat): »Bloß aus allgemeinen Begriffen über die Kunft vernünfteln, kann zu Grillen verführen, die man über kurz oder lang in den Werken der Kunft widerlegt findet.« In kaum einer Schrift fehen wir von unterem heutigen Stand punkte aus die Grenzen der damaligen Erkenntnis beffer, als in diefem Buhe von den Grenzen der Malerei und Poefie. Grenzen, über die fih felbft ein Goethe niht ganz hinaus- zufhwingen vermohte, fo fehr ihn auh feine innerfte Künftler- natur immer wieder dazu anfpornte .... Niht der Umftand entfheidet gegen das Buh, daß wir feither die pergamenifhen Funde gemäht haben und dadurh die Gefhihte der antiken Skulptur um ein wertvolles, grundlegendes Material bereihert worden ift. Was uns beute wie kalte Grabesluft anwebt, das ift die durhaus unkünftlerifhe, literarifhe Auffaffung der bildenden Kunft. Es wird auf das tieffinnigfte vernünftelt, ob und inwieweit man in einem Kunftwerke »unangenehme« Emp findungen, Shmerz, Shrecken, Traurigkeit, Mitleid, Wut, Ver zweiflung, Ekel u. dergl. zum Ausdruck bringen »dürfe«; ob und inwieweit der Ausdruck der Häßlihkeit »geftattet« fei; ob und inwieweit man durh Wahrheit und Ausdruck das Häßlihe der Natur in ein Shönes der Kunft verwandeln könne, und fo fort. Dabei werden immer a priori alle griehifhen Kunftwerke als muftergültig angefeben und in diefelben die merkwürdigften Abfihten und Anfhauungen bineingelefen. In den meiften Fällen brauht es dazu niht einmal die wirklihe Anfhauung des betreffenden Kunftwerkes; der gelehrte Verfaffer begnügt fih mit Befhreibungen des Plinius oder Paufanias, wie diefes und jenes Werk gewefen fein foll und fuht daraus zu folgern, warum der Künftler diefen und jenen Gegenftand gerade fo und niht anders dargeftellt habe. □ Ih tage das alles niht, um den großen Kritiker berabzufetjen und fein literarifhes Werk zu verkleinern, ih will nur klar» ftellen, wie feine »literarifhe« Auffaffung der bildenden Kunft fih weitab von dem wirklichen Empfindungsinbalte der antiken Kunftwerke befindet. □ Ein gutes Beifpiel hierfür bietet die vielzitierte Anfhauung, daß die Alten in der bildenden Kunft, der Shönbeit zuliebe, die Leidenfhaften auf geringere Grade her abgefeimt hätten, in weihen fie eines Maßes von Shönbeit fähig feien. Es heißt da im zweiten Abfhnitte: »Wut und Verzweiflung fhändete keines von ihren Werken. Ih darf behaupten, daß fie (die Alten) nie eine Furie gebildet haben. — Zorn festen fie auf Ernft herab. Bei dem Dihter war es der zornige Jupiter, der den Blit) fhleuderte; bei dem Künftler nur der ernfte. Jammer ward in Betrübnis gemildert. Und wo diefe Milderung niht ftattfinden konnte, wo der Jammer ebenfo verkleinernd, als entftellend gewefen wäre, - was tat da Tbimantbes? Sein Ge mälde von der Opferung der Ipbigenia, in welhem er allen Umftebenden den ihnen eigentümlih zukommenden Grad der Traurigkeit erteilte, das Gefiht des Vaters aber, welhes den Allerböhften hätte zeigen follen, verhüllte, ift bekannt, und es find viel artige Dinge darüber getagt worden. Er batte fih, fagte diefer, in den traurigen Phyfiognomien fo erfhöpft, daß er, dem Vater eine noh traurigere geben zu können, verzwei felte. Er bekannte dadurh, fagt jener, daß der Shmerz eines 186