I DIESEM HEFT IST N R - 3 DER MITTEILUNGEN DER DEUT SCHEN GHRTENSTHDTGESELLSCHHFT BEIGESCHLOSSEN DER FALL MUTHESIUS EIN VORTRAG MIT AKTEN UND BRIEFEN VORBEMERKUNG DER RED. »Der Fall Mutbefius«, der den Haupt» teil diefes Heftes füllt, wurde als Separatabdruck kurz vor Ausgabe der vorliegenden Nummer in einem weiteren Kreife von Interelfenten verbreitet. Die »HOHE WARTE«, als Organ zur Wahrung der künft» ler Heben Intereffen, hält es für ihre Aufgabe, damit den Quertreibereien einer Gruppe von Leuten die Spitje zu bieten, die lediglich wirtfebaft» lieben, d. b. gefcbäftlicben Sonderintereffen zuliebe die nationale Sache des künftlerifcben Fortfcbritts in Frage ftellen wollen. □ Diefes Heft enthält gleichzeitig einen eingebenden Bericht über die am Düffeldorfer Kongreß des Facbverbandes (14. Juni 1907) ftattgefundenen Vorfälle. Voranzeige eines neuen Verbandes der auf künftlerifcber Grundlage arbeitenden Betriebe. Verbandsorgan ift die »HOHE WARTE«. □ Der Inhalt diefes Heftes zwingt, von Illuftrationen diesmal abzufeben. Dafür wird Erfatj in den folgenden Heften ausreichend geboten werden. Eine diefer näcbften Nummern wird dem deutfeben Bauernbaufe gewidmet fein. □ DIE DATEN ÜBER DEN FALL MUTHESIUS I m Februarbeft der »Dekorativen Kunft« erfebien die von Geb. Reg.=Rat Dr. ing. HERMANN MUTHESIUS in der Berliner Handelsbocbfcbule gehaltene Eröffnungsvorlefung über »Die Bedeutung des Kunftgewerbes«. □ Der Facbverband für die wirtfcbaftlicben Intereffen des Kunft gewerbes befebwerte ficb am 28. März in einer Eingabe an den preußifeben Handelsminifter, Herrn von Delbrück, über diefen Vortrag, der nach feiner Meinung Architekten, Maler, Bildhauer, Handwerker gleichmäßig beleidige. Eine gleiche Befcbwerde richtete der Facbverband an die Älteften der Kaufmannfdbaft zu Berlin mit der Aufforderung, das von Dr. Hermann Mutbefius an der Handelsbocbfcbule vertretene Lehrfach mit einer anderen Kraft zu beferen. □ Gegen diefes Vorgeben des Facbverbandes wurde am 29. April von mehreren der angefebenen kunftgewerblicben Firmen eine Gegeneingabe an den preußifeben Handelsminifter gerichtet und der Tätigkeit des Dr. ing. Hermann Mutbefius Anerkennung gezollt. Inzwifcben war am 30. April 1907 die Antwort von den Hlteften der Kaufmannfdbaft erfolgt. Sie lehnten die Forderung des Facb verbandes ab. □ Da vom preußifeben Handelsminifterium Anfang Mai auf die Eingabe noch keine Antwort eingetroffen war, erbat der Fach verband unter dem 4. Mai 1907 eine Audienz bei dem Handels minifter. Darauf erhielt er am 15. Mai 1907 vom Handelsminifter einen ablehnenden Befcbeid. □ Dies der Mißerfolg bei den Behörden. Ebenfo einmütig war die Verurteilung feines Vorgebens durch diePreffe. Nun fuebt ficb der Facbverband durch eine Veröffentlichung zu rechtfertigen, in welcher er einige der betr. Aktenftücke mitteilt, und aus dem in Rede ftebenden Vortrag von Dr. ing. Hermann Mutbefius einige Stellen ohne Berückficbtigung des Zufammenbanges berausgreift. Jedermann weiß, daß aus dem Zufammenbang geriffene Stellen immer ein febiefes Bild von der Meinung eines Autors geben. Wir feben uns daher genötigt, den Vortrag von Dr. Hermann Mutbefius im Wortlaut voll zum Abdruck zu bringen, um zunächft einmal die Sache, um die es ficb bandelt, grundfätjlicb klar zu ftellen. Der Vortrag ift nach Form und Inhalt fo muftergültig, daß es ficb für jedermann verlohnt, ihn aufmerkfam zu lefen. □ An den Abdruck des Vortrags, den uns der Autor und der Verlag in liebenswürdigfter Weife geftattet, fügen wir einige Bemerkungen und diejenigen Aktenftücke, die zu veröffentlichen der Fachverband zum Teil nicht für ratfam gehalten bat. □ DIE BEDEUTUNG DES KUNSTGEWERBES ERÖFFNUNGSREDE ZU DEN VORLESUNGEN ÜBER MODERNES KUNSTGEWERBE AN DER HANDELSHOCHSCHULE IN BERLIN VON HERMANN MUTHESIUS E s könnte vielleicht als ein zufälliges Zufammentreffen an» gefeben werden, daß die erften Vorlefungen, die an einer deutfeben Hocbfcbule über modernes Kunftgewerbe gehalten werden, an eine Handelsbocbfcbule fallen. Was bat das Kunftgewerbe mit der Handelsbocbfcbule zu tun? □ Und doch ift das Zufammentreffen kein rein zufälliges. Hier laufen vielmehr zwei wichtige moderne Beftrebungen zufammen, die beide im Geiftesleben der Gegenwart ihre Rolle fpielen. Der Gedanke des Kunftgewerbes fowobl, als das Beftreben des Kaufmannsftandes, ficb univerfell zu bilden, find Erfcbeinungen der neueften Zeit. In beiden Bewegungen betätigt ficb ein moderner Geift, beide berühren ficb auf der gemeinfamen Bafis der Probleme der Gegenwart. Allerdings wirkt auch ein äußer licher Grund mit. Die alten privilegierten Hocbfcbulen geben ihren alten Gang; eine moderne Bewegung bat es nicht leicht, lieh in ihren feftumgrenzten Organismus einzufügen. Ein neues Inftitut, wie die Handelsbocbfcbule jedoch, ift beweglich, anpaffungs- fäbig und jugendfrifch genug, um alles der Beachtung zu wür digen, was fie unbefangen, als in ihre Intereffenfpbäre fallend, erkennt. Auf diefe Weife konnte es gerade der Handelsbocbfcbule Vorbehalten bleiben, zuerft die Bedeutung des Kunftgewerbes zu entdecken und durch Heranziehung in ihr Unterricbtsgebiet zu würdigen. O Worin liegt aber die Bedeutung des modernen Kunftgewerbes? Wie ift es möglich geworden, daß ein fo kleines Spezialgebiet, von dem das größere Publikum bis vor kurzer Zeit noch nichts wußte, beute bereits zu einem akademifeben Lebrgebiet werden 233