STREITFRAGEN IM DEUTSCHEN KUNST GEWERBE GUTACHTEN VON KÜNSTLERN UND GEWERBLERN D er im lebten Heft der »Hohen Warte« behandelte Fall Mutheüus und der Düffeldorfer Kongreß haben das be= ftehende Mißverhältnis zwifchen den Zielen und Aufgaben desDeutfcben Kunftgewerbes und einem Teil feiner gewerblichen Vertreter geoffenbart. Den Beteiligten war diefer Mißftand mit allen begleitenden Unerquicklichkeiten fchon bekannt. Ferner« ftehende find hingegen über die grundfä^liche Bedeutung der ftrittigen Punkte nicht genügend unterrichtet. Vielleicht er* blicken fie in dem »Fall Mutheüus« und der daran anknüpfen* den Kontroverfe nur eine gelegentliche unwillkommene Trübung, etwas, dem lieber mit vermittelnder Nachficht und ausgleichen* der Befchwichtigung begegnet, als mit der Betonung des grund* faßlichen Standpunktes entgegengetreten werden füllte. Vielleicht denkt fo auch die eine oder andere Behörde. Wir find anderer Meinung. Wir können uns eine Gefundung des Kunftgewerbes nur von der rückbaltlofen fachlichen Diskuffion der ftrittigen Punkte verfprechen. Wir erblicken in der vielfach verbreiteten Unkenntnis über alle Fragen des Kunftgewerbes den fcblimmften Gegner durchgreifender Reformen. Die rückfcbrittlichen Ten* denzen, wie fie fich feit einiger Zeit in Eingaben, Befchwer* den und Kongreßreden breit machen, können dies nur im Vertrauen auf die mangelnde Sachkenntnis der Öffentlichkeit. Hier aufklärend zu wirken, halten wir für eine dringende Auf* gäbe des zu gründenden Kunftgewerbebundes und der »Hohen Warte«. □ In der Erfüllung diefer Aufgabe beginnen wir mit der Ver* öffentlichung einiger Gutachten von Künftlern und Gewerblern, die aus Anlaß der III. Deutfchen Kunftgewerbeausftellung Dres» den 1906 an das damalige Direktorium der Ausftellung gelangt find. Für die Erlaubnis zum Abdruck der Gutachten find wir den einzelnen Verfaffern zu Dank verpflichtet. Sie haben da* mit der zu leiftenden Aufklärungsarbeit einen wefentlichen Dienft geleiftet. □ Zur Sache felbft find folgende Angaben zu machen: D R - COR NELIUS GURLITT veröffentlichte in Nr. 7 der »Ausftellungs* zeitung« einen Auffatj über »Die Ziele der III. Deutfchen Kunft gewerbeausftellung Dresden 1906«. Darin beißt es: □ »Die in wenigen Wochen zu eröffnende Dresdner Kunftgewerbe ausftellung bricht mit einem bisher allgemein gebräuchlichen Aus* ftellungsgrundfat}: Sie wird zur Kunftausftellung, denn fie wird im wefentlichen befchickt von Künftlern, nicht von Fabrikanten. Darin beruht der große Unterfchied. Der verbandene Raum wird in den wicbtigften Teilen nicht gegen Platjmiete an die Ausfteller vergeben, die fich dann nebeneinander fo gut es gebt mit ihren Waren ausbreiten, fondern es wird der Raum, und zwar in der vornehmen gewünfcbten Ausgeftaltung, den ein zelnen Künftlern angewiefen, die fich jene Handwerker, Fabrikan ten und Mitarbeiter berausfuchen, die ihnen am heften erfcheinen, während bisher der Fabrikant fich den Künftler berausfuchte, der ihm am angenebmften war ... □ Darin, daß die Fabrikanten mit einer anonymen Künftlerfcbaft arbeiten, erblicken viele eine der fcbwerften Schädigungen unferes Kunftgewerbes. Erft wenn der Künftler in Amt und Würden kam, kann er fich der Induftrie gegenüber durcbfe^en, kann er verlangen, daß die Welt wiffe, er, nicht aber der Fabrikant, habe das Stück gefchaffen, das bei gleicher tecbnifcber Ausführung künftlerifch höher ftebt als ein anderes ... □ Diefem Schaden in der Produktion oder doch wenigftens den noch vorhandenen Reften diefes Schadens foll die Ausftellung entgegenarbeiten. Sie will nicht den einzelnen kunftgewerblichen Gegenftand, nicht die Leiftung der einzelnen Werkftätte zeigen, fondern fie will zeigen, was ein Künftler mit den Mitteln, die eine Stadt, ein Land ihm darbietet, aus einem Raum zu machen verftebt. Die Kunftgewerbeausftellung wird alfo in erfter Linie eine folcbe für Raumkunft fein. Es wäre wohl ein Fehler, wollte man verlangen, in Zukunft follen alle Kunftgewerbeausftellungen diefe Aufgabe haben. Aber daß mit einer der Verfucb gemacht wird, ift gewiß fehr erfreulich. ... □ Gegen diefe Ausführungen und ihre Befolgung in der III. Deut fchen Kunftgewerbeausftellung richteten eine Anzahl Gewerbe treibende unter Führung des »Fachverbandes für die wirtfcbaft- lichen Intereffen des Kunftgewerbes« einen Proteft, den wir zum befferen Verftändnis der darauf bezüglichen Gutachten der Künftler und Gewerbler hier zum Abdrude bringen. Er ift an die Regierungen der deutfchen Bundesftaaten gerichtet und bat folgenden Wortlaut: □ In dem beiliegenden Auffa^ eines Mitgliedes des Ausftellungs- Direktoriums, betitelt: ,Die Ziele der III. Deutfchen Kunft- gewerbeausftellung‘, welcher Anfang April d. J. in faft allen Dresdner und vielen auswärtigen Tageszeitungen erfchien, wird ausgeführt, daß diefe Ziele dahin geben, die kunftgewerb- licbe Induftrie von dem Künftler infofern abhängig zu machen, als bei zu vergebenden Arbeiten der Künftler derjenige fein foll, welcher die ihm geeignet erfcheinenden Fabrikanten, Kunft- bandwerker ufw. zur Ausführung derfelben zu beftimmen bat. Die in diefem Auffatje entwickelten Grundfätje dürfen wohl als von der Ausftellungsleitung felbft befolgt angefeben werden, denn tatfäcblich wurde von dem Direktorium der Kunftgewerbe ausftellung nach ihnen verfahren. □ Durch eine derartige Auffaffung und das Bemühen, diefe Idee zu verallgemeinern, wird aber dem kaufenden Publikum das Vertrauen zu den beftebenden kunftgewerblichen Firmen ent zogen, die durch ihre bisherige Beteiligung an Ausftellungen des In- und Auslandes fehr wohl den Beweis ihrer eigenen künftlerifcben Befähigung erbracht, den guten Ruf des deutfchen Kunftgewerbes überhaupt begründet und mit febweren mate riellen Opfern aller Welt bewiefen haben. □ Eine Ausftellung, die unter dem Namen einer ,Kunftgewerbe‘« ausftellung nur den Intereffen einzelner Künftler dient und deren Befchickung kunftgewerblichen Firmen als felbftändigen Ausftellern von vornherein erfchwert war, trägt ihren Namen